Politik Leitartikel zum Protest im Hambacher Forst: Richtig handeln

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Teilnehmer einer Demonstration gegen die Rodung des Waldes halten am Hambacher Forst ein Transparent mit den Worten »Hambi bleibt«. Demonstrationen von mehreren tausend Braunkohlegegnern haben die weitere Räumung des Hambacher Forstes am Wochenende nicht stoppen können.

Der Energiekonzern RWE agiert rechtmäßig, falls er den Hambacher Forst rodet, um an die dortige Braunkohle zu kommen. Doch der regionale Zwist um einen Wald hat größere Dimensionen. Es geht um den Ausstieg Deutschlands aus der Kohle zur Erzeugung von Strom.

Keine Frage, RWE hat Recht und Gesetz auf seiner Seite. In verschiedenen Gerichtsurteilen wurde festgelegt, dass der Energiekonzern in seinem Eigentum, dem Hambacher Forst, Braunkohle abbauen kann. Vor zwei Jahren hat die damalige Landesregierung die weitere Entwicklung des rheinischen Braunkohlereviers gebilligt – im Gegenzug für einen abgespeckten Tagebau Garzweiler II. Mit am Tisch saßen drei Minister der Grünen, die gemeinsam mit der SPD in Düsseldorf eine Koalition bildeten.

Recht misst nicht mit zwei Ellen

Es wirkt daher merkwürdig, wenn die nordrhein-westfälischen Grünen ihren Landesparteitag am 7. Oktober an den Hambacher Forst verlegen wollen, um ein Zeichen des Widerstands zu setzen. In und vor diesem Wald werden die Grünen auf eine bunte Mischung von Demonstranten treffen, was die Polizei vor ähnliche Herausforderungen stellt wie bei „Stuttgart 21“. Und während die einen bei ihrem Protest innerhalb der vom Recht gezogenen Grenzen bleiben, wollen die anderen am liebsten den Staat und seine Regeln aus den Angeln heben. Doch selbst unter denjenigen, die im Prinzip für die Einhaltung der rechtsstaatlichen Regeln sind, gibt es einige, die argumentieren: In diesem Fall können sie nicht gelten, weil offensichtlich Unrecht passiert. Unrecht, weil die Umwelt geschädigt wird: erst durch das Abholzen jahrhundertalter Bäume, später durch das Verbrennen von Kohle, was den Klimawandel vorantreibt. Sie verweisen auf „höhere“ Ziele, die sie, mit welchen Mitteln auch immer, erreichen wollen. Doch damit begeben sie sich unter Umständen auf einen illegalen Weg. Das Recht misst nicht mit zwei Ellen. Die Regeln, die sich auf Gerichte, Gesetze und Beschlüsse einer gewählten Regierung stützen, gelten für alle. Für Linke wie für Rechte. Insofern könnte man an dieser Stelle aufhören zu diskutieren. Doch der Fall „Hambacher Forst“ liegt komplizierter. Letztlich geht es um die Frage, ob ein Unternehmen gut daran tut, sein Recht mit aller Kraft durchzusetzen. Denn auch dadurch kann einiges zu Bruch gehen.

Es geht um Deutschlands Kohle-Ausstieg

Im Hintergrund der Auseinandersetzung in Nordrhein-Westfalen läuft noch ein anderer Prozess. Es geht um den Ausstieg Deutschlands aus der Kohle zur Erzeugung von Strom. Dass das Ende des Kohleabbaus mit Blick aufs Klima unabdingbar ist, ist weitgehend unstrittig. Die Frage ist: Ab wann ist das möglich? Die nächste Frage lautet: Welche Optionen stehen dann den vom Ausstieg betroffenen Menschen offen? Genau mit diesen Fragen beschäftigt sich die von der Regierung eingesetzte Kohle-Kommission. Bis zum Herbstende soll sie Pläne für den wirtschaftlichen Umbau der Braunkohleregionen in der Lausitz und im Rheinland vorlegen – und bis Ende des Jahres ein Enddatum für den Komplettausstieg. Die Arbeit des Gremiums aber ist bedroht: Wenn RWE parallel zu den Beratungen die Rodungsarbeiten im Hambacher Forst startet, wollen die Umweltverbände aussteigen. RWE ist so stark wie kein anderer deutscher Energiekonzern von der Kohleverstromung abhängig. Mit dem Braunkohlevorkommen unter dem Hambacher Forst lässt sich (vielleicht letztmals) richtig Kasse machen. Und doch wäre es nicht nur dem Firmenimage zuträglich, wenn RWE die Rodungen bis zum Vorliegen des Ausstiegskonzepts der Kohle-Kommission aufschieben würde. Geschieht dies nicht, ist es fraglich, ob es gelingt, den Ausstieg aus dem klimaschädlichsten aller Brennstoffe zügig parteiübergreifend und unter Einbeziehen möglichst vieler Gruppen hinzubekommen. Oder ist das gar das Ziel von RWE?

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