Politik Leitartikel: Krieg und Frieden

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Der Konflikt zwischen Russland und den USA ist auch ein Konflikt zwischen Wladimir Putin und Donald Trump.

Ein bewaffneter Konflikt zwischen den USA und Russland erschien bisher undenkbar. Aber die Präsidenten beider Länder reden, als würden sie die apokalyptischen Folgen eines solchen Krieges ausblenden. Sprache prägt das Denken, und Kriege werden nicht zuletzt in den Köpfen der Menschen vorbereitet.

Zwanzig Kriege hat es im vergangenen Jahr gegeben, zwei mehr als 2016. Die Bilanz des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung zeigt: Die Vorstellung, dass wir seit Jahrzehnten in Frieden leben, entspringt einer begrenzten, auf Europa, genauer: auf Westeuropa fokussierten Sichtweise. Dieser Befund ändert freilich nichts daran, dass die Welt derzeit auf ein Szenario zusteuern könnte, das bis vor kurzem noch undenkbar erschien: eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und Russland. Zwischen jenen beiden Ländern also, die in der Ära des Ost-West-Konflikts die Führungsmächte der sich gegenüberstehenden Blöcke waren, die beide über ein Arsenal an Nuklearwaffen mit unvorstellbarer Zerstörungskraft verfügen. Vor allem weil beide Seiten sich damals der im Wortsinn vernichtenden, apokalyptischen Wirkung dieser Waffen bewusst waren, kam es selbst in den spannungsgeladensten Phasen des Kalten Krieges nicht zu einer direkten militärischen Auseinandersetzung. Legt man manche Äußerungen der Präsidenten Wladimir Putin und Donald Trump zugrunde, so können einen Zweifel befallen, ob die Verantwortlichen in Moskau und Washington noch in ausreichendem Maße über dieses Bewusstsein ihrer Vorgänger verfügen. Wenn Trump Russland unverhohlen droht und von „schönen, neuen, smarten“ Raketen spricht, die er auf Syrien abfeuern will, klingt das infantil, erinnert an ein kleines Kind, das seinen Kontrahenten beim Computerspiel reizen will. Und wenn Putin Anfang März bei seiner Rede zur Lage der Nation diese und den Rest der Welt von der Existenz neuer, einzigartiger Waffen in Kenntnis setzt, die „einfach utopisch“ seien, dann klingt das, als halte Putin sein Land in Zukunft militärisch für unverwundbar. Machtdemonstration und Imponiergehabe, Sprüche? Mag sein. Aber Sprache prägt das Denken, und Kriege werden nicht zuletzt in den Köpfen der Menschen vorbereitet. Wer also so tut, als seien Militäreinsätze und Krieg nur die neue Variante eines Computerspiels oder als gäbe es Waffen, die die eigene Seite unverwundbar machen, der leistet einer Entwicklung Vorschub, bei der Krieg wieder denkbar wird. Begünstigt wird dieser gefährliche Trend durch die Entwicklung immer neuer Waffensysteme. Wenn etwa neuerdings wieder von atomaren Gefechtsfeldwaffen gesprochen wird, dann steckt dahinter die Idee, diese Waffen nicht nur zur Abschreckung, sondern auch im Kriegsfall selbst einzusetzen. Und durch die Kriegsführung mittels Drohnen, die insbesondere von Trumps Vorgänger Barack Obama forciert wurde, wurde die Illusion erzeugt, künftig seien „saubere“ Kriege möglich, ohne den Einsatz und den drohenden Verlust eigener Truppen. Dass große Teile Europas seit Jahrzehnten in Frieden leben, ist nicht zuletzt Folge der Verheerungen des Zweiten Weltkriegs. Die Europäer haben ihre Lektion gelernt, auch weil viele die Schrecken des Krieges hautnah erfahren hatten. Über 70 Jahre danach aber gibt es kaum noch Zeitzeugen, die den Nachgeborenen aus eigenem Erleben von der „Scheiße des Krieges“ erzählen können (um den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt zu zitieren). Umso wichtiger ist es, immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass Frieden, ähnlich wie Demokratie und Freiheit, nicht selbstverständlich ist, sondern immer wieder aufs Neue verteidigt und bewahrt werden muss. Stattdessen aber ergehen sich Donald Trump, Wladimir Putin und einige andere ebenso unverantwortlich wie geschichtsblind in Kriegsrhetorik.

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