Politik Leitartikel: Asche aufs Haupt

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Papst Franziskus beim Bußgottesdienst am dritten Tag des Anti-Missbrauchsgipfels.

Ab heute soll gefastet werden. Aber der Aschermittwoch steht auch für Buße und mehr Ehrlichkeit. Die Kirche, die Autoindustrie, die Politik haben das nötig. Und wir selbst auch.

An Aschermittwoch wird nicht nur die Fasnacht begraben. Es ist der Beginn der Fastenzeit. In der katholischen Kirche weihen Priester Asche der Palmen vom Palmsonntag des vorigen Jahres und streuen sie auf Scheitel oder Stirn der Gläubigen, gleichsam als Erinnerung daran, nun Buße zu tun. Buße tun! Im christlichen Verständnis heißt das, ein durch eigene Fehler (Sünden) gestörtes Verhältnis zu Gott wieder zu verbessern. Hört sich ganz altbacken an. Dabei kann Buße, in unseren Alltag übertragen, doch an vielen Stellen hilfreich sein. Denn Fehler einzugestehen und zu bereuen, kann das Verhältnis verbessern zwischen zwei Partnern, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Schülern und Lehrern, zwischen dem Chef und seinen Mitarbeitern, zwischen Parteien und Wählern, zwischen Regierung und Volk … . Sage niemand, da gäbe es nicht genug zu tun in unserer Gesellschaft, in Deutschland. Aber kehren wir zunächst zurück zur katholischen Kirche. Für sie ist der Aschermittwoch 2019 ein ganz schwerer, ein bitterer Tag. Denn ungezählte Amtsträger aus ihren Reihen haben durch sexuellen Missbrauch vor allem von Kindern ihr Verhältnis zu Gott und – viel schlimmer noch – ihr Verhältnis zu den Gläubigen zutiefst beschädigt. Die römisch-katholische Kirche als Institution hat das viel zu spät zugegeben. Sie hat sich zu lange rausgeredet und selbst bemitleidet. Endlich zeigt sie Reue, will Buße tun. Das reicht aber nicht. Die Amtskirche muss sich tiefgreifend ändern, ihr Verständnis von Macht und Hierarchie, von der Rolle der Frau in der Kirche, von der Sexualmoral reformieren. Schafft sie das nicht, wird sie in unserer Gesellschaft nur noch ein Randdasein führen. Die Evangelische Kirche sollte sich an Aschermittwoch fragen, ob es ausreicht, dass sie den sexuellen Missbrauch in ihren Einrichtungen im Windschatten des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche zu verstecken versucht.


Mehr Reue und mehr Ehrlichkeit tun uns mindestens so gut wie weniger Kalorien


Mehr Ehrlichkeit fehlt aber an vielen Stellen in unserer Gesellschaft. Der Dieselskandal ist nicht einfach ein Vergehen von Tricksern und Täuschern. Er ist ein handfestes Verbrechen gegen die menschliche Gesundheit und gegen die Umwelt. VW und Audi betreiben trotzdem viel mehr Schadensbegrenzung in eigener Sache als Wiedergutmachung an den Betrogenen. Da ist natürlich auch die Politik im Spiel. Sie erweckte den Eindruck, man könne gleichzeitig strengste Abgaswerte verordnen und Produktion und Verkauf von Pkw nicht gefährden. Seit sich herausstellt, dass der technische Fortschritt in der Autoindustrie doch nicht so schnell ist, und seit Umweltverbände mit Klagen Dieselfahrverbote in Städten durchsetzen, suchen viele Politiker vor allem Schuldige. Dabei gehören sie selbst dazu: Denn populär war es, hohe Schadstoffgrenzwerte durchzusetzen. Nicht mehr dazu zu stehen, weil es jetzt so unpopuläre Fahrverbote gibt, ist arg unglaubwürdig. Man kann die Liste der Unehrlichkeiten, im Kleinen wie im Großen, beliebig fortsetzen. Warum sind wir Menschen nicht besser davor gefeit? Weil wir uns schwer tun, einen Fehler einzugestehen, eine Schuld zu bekennen. Weil Schuldzuweisungen an andere einfacher sind. Weil wir Angst haben, etwas zu verlieren. Weil wir egoistischer geworden sind. Weil wir empfänglicher sind für Versprechungen, auch wenn sie noch so simpel sind. An Aschermittwoch reden wir mehr über das Fasten als darüber, Buße zu tun. Dabei haben wir mehr Reue und mehr Ehrlichkeit mindestens so nötig wie weniger Kalorien.

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