Leitartikel Kommentar zur Wahl in Polen: Schlechte Nachricht für Deutschland

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In Breslau erfreuen Zwergenfiguren Einwohner und Touristen. Kaum eine Stadt spiegelt die bis heute schwer belastete deutsch-polnische Geschichte derart wieder wie die niederschlesische Metropole.

Die nationalkonservative PiS hat die Parlamentswahl in Polen gewonnen. Für Deutschland bleibt die Nachbarschaft damit ungemütlich.

Zwischen Deutschland und seinem Nachbarn im Osten kriselt es heftig. Seit vier Jahren regiert mit der nationalkonservativen PiS eine Partei in Polen, die sich einer offen antideutschen Rhetorik bedient. Seit Sonntagabend ist klar: Die PiS-Regierung bekommt eine Verlängerung. Nicht nur im Wahlkampf hat sich PiS-Parteichef und de-facto-Staatsführer Jaroslaw Kaczynski bei den klassischen Themen der Rechten bedient, hat gegen Muslime, Homosexuelle und vermeintliche Eliten gewettert. In den vergangenen vier Jahren hat die Regierung Teile der Justiz und den öffentlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht. Unabhängige Richter wurden entmündigt und Journalisten gefeuert. Doch Kritik, ob aus Berlin oder Brüssel, hat dem Ansehen der PiS bei ihren Wählern nicht geschadet. Im Gegenteil.

Die PiS fordert 850 Milliarden Euro von Deutschland

„Die Deutschen benehmen sich nicht wie Partner, sondern wie ein Vormund. Sie versuchen Polen heute genauso über die EU zu dominieren, wie sie das im Zweiten Weltkrieg einst militärisch getan haben“, poltert Kaczynski gerne. Zuletzt forderte die PiS von Deutschland mehr als 850 Milliarden Euro für im Zweiten Weltkrieg erlittenes Leid. Vier weitere Jahre PiS-Regierung werden die Demokratie in Polen noch stärker schwächen. Nach den staatlichen wird die Partei künftig wohl auch versuchen, die privaten Medien auf Linie bringen.

Erfolgreich dank vieler Geldgeschenke

Bei ihrer Stammwählerschaft, die überwiegend auf dem Land und in den östlichen Landesteilen lebt, kommt der Nationalismus der PiS zwar gut an. Ihren Siegeszug verdankt die Partei aber ihrem großzügigen Sozialprogramm: Die PiS hat ein Kindergeld von 500 Zloty (115 Euro) eingeführt – viel Geld in einem Land mit einem Durchschnittslohn von knapp 1000 Euro. Rentner bekommen neuerdings eine 13. Monatsrente, geplant sind Zuzahlungen für Landwirte, Steuerfreiheit für junge Leute und die Anhebung des Mindestlohns. 30 Jahre nach der Wende fühlen sich viele Polen erstmals von ihrem Staat umsorgt. Im Gegenzug drücken sie ein Auge zu bei den vielen Skandalen und Affären der PiS, der immer wieder Korruption und dubiose Geschäfte vorgeworfen werden. Wie aber soll Berlin mit der neuen alten Regierung in Warschau umgehen? Schon 1989 bei seinem ersten Polenbesuch hat der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl festgestellt: „Deutschland braucht Polen.“ Heute braucht Deutschland Polen mehr denn je. Der deutsche Außenhandel mit dem Nachbarland lag 2018 bei einem Volumen von rund 120 Milliarden Euro. Deutsche Firmen haben mit Polen im ersten Halbjahr 2019 mehr Handel getrieben als mit Großbritannien, womit das Land nun auf Platz sechs der Handelspartner Deutschlands steht.

Deutschland darf nicht auf Provokationen eingehen

Und dann ist da noch die extrem europafreundliche Einstellung der polnischen Gesellschaft, die nach wie vor eine der europabegeistertsten in der ganzen EU ist. Anders als in Griechenland, Frankreich, Italien oder den Niederlanden – von Großbritannien ganz zu schweigen – gibt es in Polen kaum Bestrebungen, die EU zu verlassen. Auch die PiS spricht sich stets für den Verbleib in der Gemeinschaft aus. Damit ist Warschau für Deutschland ein wichtiger Partner im Osten der EU, der die Entwicklung des europäischen Projekts unterstützt. Um den Motor dieser Partnerschaft wieder anzuwerfen, sollte Berlin gegenüber Warschau einen besonnenen Regierungsstil wählen. Beharrlich, wenn es um die Demokratie geht. Aber keinesfalls auf die weiterhin zu erwartenden Provokationen der PiS eingehen.

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