Politik Kommentar: Warum es für Fridays for Future gut ist, gehasst zu werden

124442726.jpg
Die Anhänger der Fridays-for-Future-Bewegung machen nicht den Fehler, sich von dem Hass, der ihnen aus manchen Ecken entgegenschlägt, provozieren zu lassen.

Dass eine Bewegung wie Fridays for Future auf so viel Hass stößt, verwundert nur auf den ersten Blick. Am Ende wird es den Klimaschützern helfen.

Kotz-Smileys, Hasstiraden und Verunglimpfungen machen sich auf Facebook, in Büroküchen und an Esstischen breit. Es ätzt, geifert und schäumt gegen die jungen Klimaschützer: Schulschwänzer! Greta-Jünger! Fremdgesteuert! Denn die Greta-Gegner fühlen sich von den Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung bedroht. Bedroht in ihrer Art zu leben, in ihrem Selbstverständnis. Sie haben Angst um ihre Urlaubsreisen, ihre Ölheizung, ihren Diesel.

Gehasst zu werden, schweißt zusammen

Es ist wie bei vielen sozialen Bewegungen: Ihre Ziele sind für einige Menschen lästig bis unbequem. Die Frauenbewegung schaudert den Macho, die Arbeiterbewegung schreckt den Kapitalisten und Fridays for Future schockt den SUV-Fahrer. Für die jungen Klimaschützer ist das ein Segen. Denn gehasst zu werden, schweißt zusammen. Eine Bewegung, die nicht aneckt, läuft Gefahr, ihre Ziele aus den Augen zu verlieren. Sie braucht Relevanz, nicht Akzeptanz. Und sie ist dann am stärksten, wenn ihre Gegner um sich schlagen.

Euer Hass ist ihr Stolz

Die Fridays-for-Future-Bewegung macht auch nicht den Fehler, zurückzuschlagen, sich zu radikalisieren. Ihre Anhänger behalten, zumindest bislang, einen kühlen Kopf. Euer Hass ist unser Stolz, singen Fußballfans gerne beim Aufeinandertreffen mit dem verfeindeten Lager. Manche meinen das sogar ernst. Und mal ganz ehrlich: Eine Jugendbewegung, die alle Alten dufte fänden, wäre doch schon tot, bevor sie laufen gelernt hätte.

christian-chako-habekost-de-edle-wilde-foto-03-credit-hyp-yerlikaya.JPG
Mundart-Comedian Christian »Chako« Habekost (57) antwortet aus dem Urlaub auf unsere Frage: Ja, Greta Thunberg und die Schülerproteste haben etwas in seinem Leben verändert - auch wenn er sich als Vegetarier schon viele Jahre darüber freue, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Außerdem freue er sich »über jede Bar, jedes Restaurant, egal wo auf der Welt, das auf Plastikstrohhalme verzichtet. Banal, aber hilfreich und ein kleines Zeichen, dass das Umdenken um sich greift - auch dank Greta!«
pompoeoes13.JPG
Nein, für ihn persönlich haben Greta Thunberg und die Schülerproteste nichts verändert, sagt Stardesigner Harald Glööckler (54) bei der Eröffnung des Café Pompöös in Bad Dürkheim. »Mein Bewusstsein für Klimaschutz war auch vor Fridays for Future schon geschärft. Und in den 70er-Jahren gab es ja schon einmal so eine Art Greta Thunberg, es gab immer mal so jemand.« Befremdlich finde er auch den Ruf nach dem Staat. »Wieso pflanzen nicht alle mal einen Baum vors Haus? Dann wäre schon ganz viel fürs Klima getan.«
view_katholikentag150919rv073.JPG
»Fridays for future hat unmittelbar an meiner Lebensführung nichts geändert«, sagt Karl-Heinz Wiesemann (59), Bischof von Speyer. Allerdings habe ihn die Bewegung noch mehr für die großen Fragestellungen und Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, sensibilisiert. »Ich bin zum Beispiel dabei, den Fleischkonsum deutlich zu reduzieren. Im Bischofshaus wird bewusst an mehreren Tagen in der Woche fleischlos gegessen.«
bahnrad_dm_2018_sonntag9822.JPG
Bei Radsport-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Miriam Welte (32) hat die starke öffentliche Aufmerksamkeit, die der Klimaproblematik durch die Schülerproteste zuteil wird, keine Veränderung in ihrem eigenen Leben bewirkt: »Weil ich schon immer bewusst lebe und einkaufe«, erklärt die Sportlerin aus Kaiserslautern.
sommerredaktion13.JPG
»Wie kaum jemand zuvor« haben Greta Thunberg und ihre Mitstreiter es geschafft, die Bedrohung unserer Zukunft durch Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung in die Öffentlichkeit zu tragen, sagt Alexander Schubert (49), Direktor des Historischen Museums der Pfalz in Speyer. Thunberg und die Schülerproteste hätten dem Problem, auf das Wissenschaftler sei Langem hinweisen, ein Gesicht gegeben. Jetzt müsse der Fokus stärker auf Inhaltliches, auf handfeste Verbesserungen und Lösungen gelegt werden. »Bei uns in unserer Familie ist in den letzten Monaten das Bewusstsein nochmal gestiegen, zum Beispiel was den Lebensmitteleinkauf, die Vermeidung und Entsorgung von Verpackungsmüll oder die Nutzung des Autos betrifft.«
x