Kolumne Fasnacht ist ein heißes Eisen

Uwe Renners, stellvertretender Chefredakteur Digitales.
Uwe Renners, stellvertretender Chefredakteur Digitales.

Die neue Berichterstattung der RHEINPFALZ gefällt nicht allen

Liebe Närrinnen und Narren,

 

Fasnacht ist eine ernste Angelegenheit. Das war schon immer so. Eine der frühen Erwähnungen der Fasnacht findet sich in Christoph Lehmanns Speyerer Chronik von 1612, die aus alten Akten berichtet: Im Jahr 1296 habe man das Unwesen der Fasnacht etwas zeitig angefangen, es habe eine Schlägerei von Bürgern mit Bediensteten des Bischofs und des Domkapitels gegeben. Der Rat habe den Dompropst dazu gezwungen, nicht länger seine schützende Hand über die Geistlichen zu halten. Für das Domkapitel seien diese „Übergriffe“ Anlass für eine Klage gegen Rat und Bürger der Stadt gewesen. Sogar die Exkommunikation wurde angedroht. Die Angelegenheit verlief irgendwann jedoch im Sande.

 

Das Leseverhalten hat sich verändert

Gut 700 Jahre später gibt es wieder Zoff. Allerdings ohne Schlägerei, der Bischof ist nicht involviert, und im Sande verlaufen soll es auch nicht. Dieses Mal trifft der Zorn uns, die RHEINPFALZ. Der Grund: Wir haben in allen Lokalredaktionen unsere Fasnachtsberichterstattung neu strukturiert. Die Zeit, in der die Zeitung in erster Linie Chronistenpflicht hatte, ist vorbei. Mit ihren zahlreichen Facebookseiten und Internetauftritten machen dies viele Vereine mittlerweile selbst, oft noch am Abend der Veranstaltung. So ausführlich, wie es eine Tageszeitung überhaupt nicht leisten kann. Hinzu kommt, und das ist viel entscheidender – auch das Leseverhalten der Menschen hat sich verändert. Dem wollen wir gerecht werden, auch zum Nutzen der Vereine und Fasnachter. Der ausführliche Bericht der Prunksitzung findet nämlich kaum noch Leser.

Woher wir das wissen? Im Jahr 2020 gibt es Methoden, dies auch in der gedruckten Tageszeitung zu messen. Wir selbst haben mit unserem Lesewert-Projekt solch eine Methode in der Zeitung angewandt und wenden sie bald wieder an. Unser Partner, die Mehrwertmacher aus Dresden, haben seit 2012 das Leseverhalten von 12.500 Zeitungslesern in ganz Deutschland beobachtet und 840.000 Artikel mit mehr als 17 Millionen Bewertungen analysiert. Vieles, was sich in der Printleserforschung zeigt, deckt sich mit unseren Erkenntnissen im Onlinebereich. Dort können wir jeden Text messen und wissen, wie viele Menschen ihn wie lange gelesen haben.

 

Bilderstrecken und Videos sind gefragt

In der Fasnachtszeit wird dabei eines ganz deutlich: Während die Texte über Prunksitzungen durch die Bank schlecht abschneiden, mögen die Leser das Visuelle, sprich die Kostüme, Verkleidungen und die Freude in den Gesichtern der feiernden Menschen. Fazit: Bilderstrecken und Videos kommen an, lange Texte nicht. Deshalb haben wir die Konsequenzen gezogen. Was bringt einem Verein die Berichterstattung über ein Ereignis, wenn es nur von wenigen gelesen wird? Nicht viel, außer für die Dokumentation im eigenen Archiv.

Mit unserem neuen Konzept wollen wir die Fasnacht nicht abschaffen und auch den Ehrenamtlichen kein Bein stellen. Wir möchten weiter Geschichten erzählen, aber halt nicht die chronologische Abfolge eines Abends, dessen Unterhaltungswert schriftlich eh nicht angemessen wiedergegeben werden kann. Wir möchten Geschichten erzählen, beispielsweise über das Tanzmariechen, das nach einer Verletzung endlich wieder auf die Bühne darf, oder über den Vorsitzenden, dessen Freunde aus Amerika regelmäßig zum Fasnachtsumzug kommen. Das kommt bei unseren Lesern an und hilft auch den Fasnachtern. Mit diesen Texten erreichen wir Leser, die dem besagten Artikel über die Prunksitzung nie Beachtung schenken würden.

 

Verständnis, aber auch bitterböse Briefe

Unsere Lokalredaktionen haben mit den Fasnachtern im Vorfeld gesprochen, es wurden Mails verschickt, es wurde auf das neue Konzept aufmerksam gemacht. Rückmeldungen gab es nur wenige, und in vielen Redaktionen kommt das neue Konzept nicht nur bei den Lesern an, auch die Vereine zeigen Verständnis. In einigen Lokalredaktionen bekommen die Lokalchefs aber auch bitterböse Briefe, ein paar Fasnachtsvereine haben auf ihren Prunksitzungen sogar Statements verlesen, um ihrem Unmut Luft zu machen.

Wir nehmen die Kritik sehr ernst und werden die betreffenden Vereine zum Gespräch einladen. Um uns der Kritik zu stellen, unsere Sicht der Dinge zu erläutern und für unser Konzept zu werben. Alles ganz friedlich, und der Bischof muss auch nicht kommen.

Bis dahin wünschen wir allen Närrinnen und Narren eine fröhliche fünfte Jahreszeit.

Herzliche Grüße

Ihr Uwe Renners

 

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