Politik Kalender: Der lange Schatten von 23-F

StaatsstreichOberstleutnant Tejero fuchtelt auf der Tribüne des spanischen Parlaments mit einer Pistole herum.
StaatsstreichOberstleutnant Tejero fuchtelt auf der Tribüne des spanischen Parlaments mit einer Pistole herum.

Am 23. Februar 1981 steht in Spanien die junge Demokratie auf Messers Schneide. Welche Rolle spielte der König?

Die Zeiger der Uhr in den Cortes, dem spanischen Parlament in Madrid, zeigen exakt 18.23 Uhr an, als die Abgeordneten, die sich an diesem 23. Februar 1981 zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten versammelt haben, durch raue Befehle und das Knattern von Maschinenpistolen aufgeschreckt werden. 20 Angehörige der paramilitärischen Guardia Civil stürmen in olivgrünen Kampfanzügen den Plenarsaal.

Angeführt werden sie von dem kleinwüchsigen schnauzbärtigen Oberstleutnant Antonio Tejero Molina. Den schwarz lackierten Dreispitz der Guardia Civil auf dem Kopf, springt er auf die Rednertribüne und brüllt: „Alle auf den Boden legen!“ Die Volksvertreter folgen brav der Anweisung und ducken sich unter die Mahagonibänke. Nur Ministerpräsident Adolfo Suárez, sein Stellvertreter Gutierrez Mellado, ein Generalleutnant, und Kommunistenchef Santiago Carrillo, der sich lässig eine Zigarette anzündet, bleiben stehen oder sitzen. Sie werden in einen Nebenraum abgeführt, einem ungewissen Schicksal entgegen.

Kehren die Dämonen zurück?

Stundenlang bangen die Spanier, wie es mit ihrem Land weitergeht, ob es wieder den Dämonen der jüngeren Geschichte zum Opfer fällt. Spanien ist eine verspätete Demokratie in Europa. Erst sechs Jahre vor diesen Ereignissen ist Francisco Franco, der das Land 37 Jahre mit harter Hand regiert hat, als Greis gestorben.

Dass Spanien danach recht zügig den Anschluss an westliche Standards sucht und findet, ist mit ein Verdienst des jungen Königs Juan Carlos. Von Franco als sein Nachfolger bestimmt, gilt er zunächst als dessen Kreatur. Aber der neue Herrscher leitet den Übergang zu einer parlamentarischen Monarchie demokratischer Prägung ein und lässt eine liberale Verfassung ausarbeiten. Die Dämonen sind aber nicht tot, sie liegen auf der Lauer. Vom alten System begünstigte Gruppen aus Militär und Sicherheitsapparat wollen das Rad der Geschichte wieder zurückdrehen. Wasser auf ihre Mühlen ist die Bedrohung der Einheit Spaniens durch gewalttätige separatistische Gruppen wie die baskische Terrororganisation Eta.

Was wusste der König?

Das ist die Lage an jenem Tag heute vor 39 Jahren, der als 23-F in Spanien im kollektiven Gedächtnis bleibt. Und erneut nimmt Juan Carlos entscheidenden Einfluss auf die Zukunft seines Landes – wie, ist bis heute umstritten.

Fest steht, dass Juan Carlos sich am Telefon der Loyalität der Truppen im ganzen Land versichert und kurz nach 1 Uhr nachts in der Uniform eines Generalkapitäns vor die Fernsehkameras tritt. Die Spanier, auch die Putschisten und Abgeordneten im Parlament, hören seine entscheidenden Worte: „Die Krone kann unter keinen Umständen Aktionen oder Handlungsweisen von Personen zulassen, die mit Gewalt den demokratischen Prozess unterbrechen.“ Unter den Geiseln bricht Jubel aus.

Es kann sich aber auch ganz anders abgespielt haben. Putschist Tejero hat im Parlament damit geprahlt, eine hochgestellte Persönlichkeit werde kommen. Doch nichts geschieht. Bis heute existieren Gerüchte, wonach der „weiße Elefant“, der im Parlament erscheinen sollte, der König selbst sein sollte. Die spanische Journalistin Pilar Urbino stellt 2014 in einem Buch die These auf, Juan Carlos habe den Coup anfänglich unterstützt, im Laufe der Nacht seine Haltung aber geändert. Beweise indes bleibt sie schuldig. Wichtige Akten sind unter Verschluss.

DIE RHEINPFALZ feiert in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag, 365 Tage lang. In diesem Kalender erinnern wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, jeden Tag an ein besonderes Ereignis oder eine ungewöhnliche Geschichte aus den vergangenen 75 Jahren.

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