Politik Ein Mann, drei Rücktrittsangebote

Horst Seehofer gibt sich unbeeindruckt von den Stürmen und Niederlagen der letzten Zeit.

Horst Seehofer angeschlagen und zermürbt? Er hätte gute Gründe dafür. Denn das CSU-Ergebnis bei der Landtagswahl in Bayern war schlecht. Und dem Vorsitzenden wird eine gehörige Portion Schuld für die Schlappe in die Schuhe geschoben. Doch der CSU-Chef gibt sich unbeeindruckt. Vielleicht ein bisschen geläutert. Und er überrascht mit einem Bekenntnis. Da sitzt er nun vor der Hauptstadtpresse, der Horst Seehofer. Zwei Tage nach der Landtagswahl in Bayern, an deren Ergebnis die CSU noch lange leiden wird. Er sitzt aufrecht, die Arme vor der Brust verschränkt, das spitzbübische Lächeln umspielt seinen Mund. Vielleicht will er für die Fotografen den Eindruck erwecken, er ruhe in sich. Er habe sich nichts vorzuwerfen. Vielleicht denkt sich der CSU-Vorsitzende, er habe schon ganz andere Schlachten geschlagen. Er werde die kritischen Fragen der Journalisten schon parieren – „Ihr könnt mir gar nichts!“ Aber das ist reine Spekulation.

"Ich führe jetzt keine Personaldiskussionen"

Tatsache ist: Seehofer ist eine Art Sündenbock in diesen Tagen. Die Mehrheit der bayerischen Wähler macht ihn für das Zerwürfnis mit Kanzlerin Angela Merkel hauptverantwortlich. Für das schlechte Erscheinungsbild von CDU und CSU. Für das erbarmungswürdige Image der großen Koalition. Dafür, dass die Bundesregierung mit ihren Inhalten nicht durchdringt. Und natürlich dafür, dass die CSU den Verlust von mehr als zehn Prozentpunkten an Wählerzustimmung verschmerzen muss. Folglich wird er x-fach am Tag von Journalisten befragt, wann er denn endlich gedenke zurückzutreten. Seehofer denkt gar nicht dran. Überhaupt, in seinen langen Ausführungen zur Bayernwahl oder zur Bundesregierung kommt er als Person und Amtsträger fast gar nicht vor. Er weiß natürlich, die „R-Frage“ wird trotzdem kommen. Die Journalisten werden mit vielen trickreichen Varianten um die Ecke kommen. Er kennt das Spiel, der alte Fuchs. Doch er gehorcht beharrlich dem „Gelübde“, wie er seine Linie nennt: „Ich führe jetzt keine Personaldiskussionen.“ Wie er auch die Frage nicht beantworten will, wie groß der Anteil Merkels am schlechten CSU-Ergebnis sei. „Ich mache keine Schuldzuweisungen.“

Klebt er an seinem Stuhl?

Stattdessen gibt sich der CSU-Chef als Stabilitätspapst. Erst müsse Markus Söder zum Ministerpräsidenten gewählt und die Landesregierung in Bayern gebildet, dann die Wahlschlappe analysiert, und am Ende dieses Prozesses müssten inhaltliche und personelle Konsequenzen gezogen werden. Und da sei er offen. Das kann man so interpretieren, als sei Seehofer – sollte die Wahlanalyse ihn als Sündenbock bestätigen – zum vorzeitigen Rückzug durchaus bereit. Turnusgemäß stehen erst 2019 Wahlen für die CSU-Parteispitze an. In diesem Zusammenhang gibt es da einen Verdacht. Den nämlich, dass der CSU-Mann an seinem Vorsitzendenstuhl klebe – stur, störrisch, rechthaberisch. Seehofer kennt das Geraune, die Kommentarlage in den Medien auch. Diesen Verdacht versucht er so ganz nebenbei abzuräumen. Erstmals, so plaudert Seehofer aus dem Nähkästchen, habe er seinen Rücktritt nach der Bundestagswahl 2017 angeboten. Dann vor seiner Wiederwahl als Vorsitzender auf dem CSU-Parteitag im Dezember 2017 in Nürnberg und schließlich im Juli dieses Jahres, als das Zerwürfnis zwischen CSU und CDU wegen der Migrationspolitik einen weiteren Höhepunkt erreichte. Was Seehofer unausgesprochen ließ: Ein Rücktrittsangebot muss auch angenommen werden. Wurde es aber nicht. Ebenso unausgesprochen blieb seine Schlussfolgerung: Das zeigt, ich klebe nicht an meinem Stuhl!

Seehofer, das Unschuldslamm

Das Rücktrittsangebot vom Juli 2018 ist öffentlich bekannt, die anderen beiden waren es bis dato nicht. Wem Seehofer seinen Rückzug angeboten hat, sagt er nicht. Aber in seiner Plauderei fällt das Wort „individuell“. Das deutet auf ein Zwiegespräch mit einem ungenannten Gesprächspartner hin. Auch führt Seehofer nicht weiter aus, warum das Angebot nicht angenommen wurde. Immerhin räumt der CSU-Mann ein, Stil und Ton seien im Streit mit Merkel und der CDU kritikwürdig gewesen. Aber sonst? Beim Streit um die Rückweisung von Flüchtlingen an der Grenze habe er im Einklang mit den CSU-Bundestagsabgeordneten, den CSU-Landtagsabgeordneten und den Gremien der Partei gehandelt. Den Streit um den früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen habe nicht er angezettelt. Die Sache sei im Innenausschuss des Bundestages eigentlich schon geklärt gewesen. Doch dann sei eine Kampagne losgetreten worden, in der die SPD die Ablösung Maaßens gefordert habe. Seehofer, das Unschuldslamm? Immerhin gibt er sich lammfromm. Er lobt die SPD-Chefin Andreas Nahles in hohen Tönen. Die sei immer gut vorbereitet, wisse in der Sache Bescheid, kämpfe hart für ihren Standpunkt, sei aber auch zu vernünftigen Kompromissen bereit. Er bekennt sich mehrmals zur großen Koalition und zählt auf, wie segensreich die schon gewirkt habe: Renten-, Pflege-, Sicherheits-, Wohnungsbaupaket und so weiter und so fort.

"Habe keinen Zweifel, dass ich das länger durchhalte"

Ein Schmankerl noch. Ein Journalist aus Ägypten – andere Länder, andere Sitten! – bezeugt dem Bundesinnenminister zunächst seine allervorzüglichste Hochachtung. Als der Wasserfall von Lob und Preis, der da auf den Bundesinnenminister niederprasselt, gar nicht mehr aufhören will, hebt Seehofer entwaffnet die Hände. Dann will der Kollege wissen: „Hören Sie jetzt auf zu streiten mit Frau Merkel?“ Das Protokoll vermerkt Heiterkeit im Saal. Seehofer setzt zu einer langen Erklärung über Streit und politischer Auseinandersetzung an. Mit Wohlwollen kann man heraushören, dass er seinen Stil ändern wolle. „Wie lange halten Sie das durch?“, wird er gefragt. Seehofer sagt: „Ich habe keinen Zweifel, dass ich das länger durchhalte!“ – „Was heißt länger?“ – „Länger heißt auf Dauer“, sagt der CSU-Mann. Geraune im Saal. Denn alle erinnern sich lebhaft, wie lange die vielen Friedenschlüsse und Burgfrieden zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel in den vergangenen Jahren gehalten haben …

Auf dem Höhepunkt der Macht: Im November 2008 ist Seehofer nicht nur CSU-Vorsitzender, sondern auch bayerischer Ministerpräsiden
Auf dem Höhepunkt der Macht: Im November 2008 ist Seehofer nicht nur CSU-Vorsitzender, sondern auch bayerischer Ministerpräsident.
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