Politik Den Schwachen in Westpapua zu ihrem Recht verhelfen

Welche Zukunft wird dieses kleine Mädchen in Papua haben, das mit seinem Stamm im Regenwald lebt?
Welche Zukunft wird dieses kleine Mädchen in Papua haben, das mit seinem Stamm im Regenwald lebt?

Von oben, aus dem Flugzeug betrachtet, zeigt sich die Umweltzerstörung auf einen Blick. Dort wo sich vor Jahrzehnten im zentralen Hochland Westpapuas mal ein blau-grüner Fluss durch den Regenwald schlängelte, ist heute nur noch eine betongraue Fläche zu sehen. Zehntausende Tonnen mit Schwermetall verseuchten Morasts gelangen täglich von der Gold- und Kupfermine Grasberg in die Flüsse. Zwar hat vor 17 Jahren die indonesische Regierung ein Verbot der Flussentsorgung erlassen, doch in der Praxis hat sich nicht viel geändert. Im Menschenrechtsbüro in Jayapura sind die Mitarbeiterinnen mit der Problematik der seit Ende der 60er Jahre durch den US-Konzern Freeport betriebenen Mine vertraut. Und das nicht nur wegen der Umweltzerstörung. In der Vergangenheit gab es immer wieder Proteste der Arbeiter, die wegen schlechter Arbeitsbedingungen streikten. Mit Gewalt versuchten Sicherheitskräfte dies zu unterbinden. „Wir sind darüber informiert, dokumentieren, was wir erfahren, können aber nichts unternehmen“, schildert Serah* die Lage. Die Zerstörung des Regenwaldes und damit des Lebensraumes der Ureinwohner ist ein Thema, das die Menschenrechtsaktivistinnen täglich beschäftigt. Papua ist reich an Bodenschätzen wie Gold, Kupfer, Nickel, Uran, Erdgas, auch das Tropenholz ist begehrt. Holzkonzerne aus Indonesien, Malaysia, Korea und China roden seit etwa 15 Jahren die Regenwälder Papuas, um den Weltmarkt mit Tropenholz und Holzprodukten zu versorgen. Den Stammesältesten und lokalen Politikern versprechen sie im Gegenzug zur Abholzung oft Geld, Arbeit, Schulen und neue Häuser. Zu spät merken viele Papua, dass ihnen ihre Lebensgrundlage entzogen wird. „Oft wird ihnen das Land aber auch einfach weggenommen“, sagt Serah. Im Büro der Menschenrechtsorganisation häufen sich die Ordner mit Notizen über Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen. Die Dokumentationen sind auch wichtig, um sie anderen Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und selbst den Vereinten Nationen zukommen zu lassen. Serah und ihre Mitstreiterinnen treibt derzeit ein Fall um, bei dem die Betroffenen sich wehren. Zwischen Sorong und Manokwari im westlichen Inselteil Indonesiens haben die Behörden einheimische Bauern von ihrem Grund und Boden vertrieben. Darauf sollen Plantagen mit Ölpalmen angelegt werden. Denn der Markt für Palmöl, das in Kosmetika, Waschmitteln, Pharmazeutika, Schokoriegeln oder Keksen verwendet wird, ist äußerst lukrativ. Doch der Anbau von großen Monokulturen wie Ölpalmen führt zum Kahlschlag der Regenwälder und laugt den Boden aus. Das befürchten die Bauern und wehren sich. „Wer aber dagegen protestiert, läuft Gefahr, eingesperrt, gefoltert oder ermordet zu werden“, klagt Serah. Die Bewohner wandten sich an das Menschenrechtsbüro, dessen Arbeit die Evangelische Kirche der Pfalz unterstützt. Serah geht ins Nebenzimmer und kommt mit Papieren voller Unterschriften zurück. „Wir haben eine Petition verfasst.“ In Kürze soll es ein Gespräch mit Regierungsvertretern, den Bauern und Unternehmensvertretern geben, sagt Serah. Sie hofft auf eine Einigung zugunsten der Bauern. Derweil hat es sich Mawi*, eine junge Mitarbeiterin, zur Aufgabe gemacht, Stämme in abgelegenen Urwaldregionen über ihre Rechte aufzuklären. Dazu gehört, dass sie mit Mitstreitern das Land vermisst und geografische Karten anlegt, um den Ureinwohnern etwas an die Hand zu geben. „Die wissen oft gar nicht, wo die Grenze ihres Stammesgebiets liegt. So ist es für Konzerne einfach, ihnen das Land wegzunehmen“, sagt Mawi. Die Frauen, die in dem Menschenrechtsbüro arbeiten, verhehlen nicht, dass ihr Job gefährlich ist. Deshalb möchten sie auch nicht, dass ihre Namen veröffentlicht werden. Die Aktivistinnen treten immer dann auf, wenn Menschen Unrecht geschieht. Sie kämpfen für die Rechte der indigenen, überwiegend christlichen Bevölkerung. Über die Unabhängigkeit verlieren die Frauen kein Wort. Denn sie wissen, dass die indonesische Regierung und vor allem das in Papua sehr stark vertretene Militär gegen Unabhängigkeitsbestrebungen mit aller Härte und Gewalt vorgeht. Die Gewalt durch indonesische Sicherheitskräfte dokumentiert die Organisation Internationale Koalition Papua (IPC). Nach ihren Angaben sind im vergangenen Jahr zehn Papua getötet, 175 gefoltert und misshandelt, 599 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert worden. Das sind nur die Fälle, die bekannt geworden sind. Die Aktivistinnen schreckt das nicht. Viel über ihre Motivation sagt ein Plakat aus, das beim Eintreten in das Büro ins Auge fällt. „He took up the case of the poor“ (Dem Armen verhalf er zum Recht) steht darauf in großen Buchstaben. An diesem Spruch aus dem alttestamentlichen Buch Jeremia orientieren sich die Frauen. Den Schwachen zu ihrem Recht verhelfen – das versucht Rechtsanwältin Dee* jeden Tag. Da sind die fünf jungen Männer aus Waropen, die die Morgensternflagge des unabhängigen Westpapuas gehisst hatten. Darauf stehen bis zu 15 Jahre Haft. Die Männer wurden festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Dort saßen sie ein Jahr ohne Prozess. Das Menschenrechtsbüro nahm sich ihrer an. Da sind die 145 Arbeiter eines ortsansässigen Unternehmens, die, obwohl sie jeden Tag malochten, keinen Lohn erhielten. „Sie hatten kein Geld, konnten sich kein Essen, kein Wasser kaufen, das Schulgeld für ihre Kinder nicht zahlen“, beschreibt Dee die Situation. Die Juristin brachte den Fall vor Gericht. Während des Prozesses zogen 40 Männer ihre Aussagen zurück. Sie hätten mit der Firma eine Vereinbarung getroffen. Das Gericht verurteilte das Unternehmen, die ausstehenden Löhne zu zahlen. Ein Erfolg für das Menschenrechtsbüro. Doch die Firma legte Widerspruch ein. Nun geht es in die nächste Instanz. Dee ist optimistisch, dass die Arbeiter ihre Rechte durchsetzen werden. Die Aktivistinnen sind auch mit den Auswirkungen der Transmigrasi-Politik der indonesischen Regierung konfrontiert. Zwischen 1969 und 1998 hat die Regierung in Jakarta Menschen, überwiegend Muslime, von den dicht besiedelten Inseln Java, Sumatra und Sulawesei nach Papua umgesiedelt – mit entsprechenden Anreizen wie Geld zum Hausbau und Aufbau einer Existenz. Inzwischen bestimmten die Zugewanderten die Wirtschaft und den Handel, besetzten Posten in Verwaltung und Politik. Die indigene Bevölkerung hingegen werde als eine Art Menschen zweiter Klasse behandelt, ärgert sich Serah. Ob Armut, Analphabetismus, Kindersterblichkeit oder HIV-Infektionen, die Indikatoren der Ureinwohner seien weit schlechter als jene der zugewanderten Bevölkerung. Und noch etwas hat sich durch die Migrationspolitik verändert – das Miteinander von Christen und Muslimen. „In Papua leben Muslime und Christen schon lange friedlich miteinander“, sagt Andreas Mofu, Präsident der rund 800.000 Mitglieder zählenden evangelischen Kirche in Papua. Doch seit geraumer Zeit schürten ins Land gekommene radikal-muslimische Gruppen Konflikte zwischen den Religionen. So auch der junge indonesische Soldat, der beim Saubermachen in einer Kaserne eine Schachtel mit Bibeln fand. Kurz entschlossen setzte er die Bücher in Brand. Ein Christ zeigte ihn an. „Der Soldat wollte provozieren“, sagt Dee. Der Fall kam vor ein Militärgericht, der Soldat wurde entlassen und erhielt eine Haftstrafe. Auch solche Konflikte bergen Gefahren für die Menschenrechtlerinnen. Doch trotz Drohungen wollen sie nicht aufgeben, und zwar aus einem einfachen Grund, wie es Serah formuliert: „Wer hilft unseren Menschen in Papua, wenn wir Angst haben?“ Sie beantwortet die Frage nicht, aber die Antwort liegt auf der Hand: niemand. *Namen von der Redaktion geändert

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