Politik Besuch von Macron: Aufbruch in Europa

Beim Besuch des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in Berlin signalisiert Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie am Versprechen des Koalitionsvertrags festhalten will, wonach es einen neuen Aufbruch in Europa geben soll. Abzuwarten bleibt, wie sie dabei mit der Skepsis von CDU/CSU in Sachen Reform der Euro-Zone umgeht.

Die prächtige Zukunft lässt auf sich warten. Noch sind das Berliner Schloss wie im übertragenen Sinne auch die Europäische Union große Baustellen, deren Gegenwart wenig ansehnlich ist, deren künftiger Glanz jedoch in Reden beschworen wird. Es passt also, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel Frankreichs Präsidenten, ihren Tandempartner für anstehende EU-Reformen, inmitten lose hängender Kabel, Rigipsplatten und Gerüsten empfängt, die das im Bau befindliche Humboldtforum umgeben. Die Wahl des Ortes soll nicht nur die Botschaft aussenden, dass hier etwas „im Einstehen ist“, wie Merkel sagt. Sie hebt zur Begrüßung auf die Namensgeber Alexander und Wilhelm von Humboldt ab, den Naturforscher und den Staatsmann. Beide seien „ohne Paris überhaupt nicht zu denken“, wie die Kanzlerin feststellt. Zum deutsch-französischen Geschichtsbezug gesellt sich der Verweis auf Alexanders Neugier auf die Welt – für Merkel eine Erinnerung daran, dass Deutschland zwei Jahrhunderte später erst recht nicht nur auf sich selbst schauen darf, sondern im europäischen Rahmen seine Rolle in der Globalisierung finden muss. Die Symbolik steht im Zentrum des ersten Besuchs Macrons bei Merkel nach ihrer Wiederwahl als Kanzlerin. Ergebnisse kann es keine geben, da die Pressekonferenz vor dem Arbeitstreffen im Kanzleramt stattfindet. Alles dient der Vorbereitung eines deutsch-französischen Ministerrats am 19. Juni, auf dem kurz vor dem EU-Gipfel ein gemeinsamer Reformplan für Europa verabschiedet werden soll. Große Worte werden also ausgesprochen an diesem Donnerstag. „Mehr als nur das Friedensprojekt“ müsse die EU in Zukunft sein, da sich in einer unruhigen Welt europäische Werte und Interessen nur gemeinsam verteidigen ließen, mahnt die Kanzlerin, die daher von der „Wiederbelebung“ und „Neubegründung“ Europas spricht. Das klingt wie ein Echo Macrons, der schon lange die „Neugründung Europas“ fordert und die europäische „Souveränität“ in der Welt erhalten will – gegen alle Widerstände im Innern. „Dieser Moment ist absolut entscheidend für die Zukunft Europas“, sagt der Präsident mit Blick auf nationalistische Verführer in vielen EU-Staaten: „Unsere Vorgänger hatten die Kraft, sich dem bösen Wind entgegenzustellen.“ Nun brauche es „eine gemeinsame Vision zu den großen Zielen“. Und seine Gastgeberin gibt sich „sehr optimistisch“, dass es im Juni zu „einem guten Ergebnis kommen kann“. Angela Merkel will an diesem warmen Frühlingstag Emmanuel Macron vor allem beweisen, dass sie sich weiter an das Versprechen gebunden fühlt, das sie ihm gegeben hat und das sich im Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Ein neuer Aufbruch für Europa“ findet. Davon nämlich war in vielen Äußerungen und Positionspapieren aus Merkels Unionsparteien zuletzt herzlich wenig zu spüren. Betont wurden derart stark rote Linien und das, was alles nicht gehe bei der Währungsunion, dass sich Europapolitiker wie Gunther Krichbaum über den „negativen Duktus“ seiner CDU in Europafragen beschwerten. Aus der Sitzung ihrer CDU/CSU-Fraktion am späten Dienstagnachmittag hat Merkel mitnehmen können, dass es neben der Skepsis gegenüber neuen finanziellen Gemeinschaftsprojekten auch die Einsicht gibt, dass sich in Europa etwas tun muss. Im Ergebnis will die Kanzlerin nun bei der Reform der Euro-Zone, die „noch nicht ausreichend krisenfest ist“, vorsichtige Schritte gehen – und dafür in anderen Politikbereichen möglicherweise weiter gehen. Konkret heißt das laut Merkel, dass Deutschland nur „in einer ferneren Zukunft ein gemeinsames Einlagensicherungssystem“ unterstützt – zuerst müssen die Risiken im Bankensystem verringert werden. Ein europäischer Währungsfonds soll nicht auf EU-Ebene angesiedelt werden, sondern über einen zwischenstaatlichen Vertrag gegründet werden, was die Kontrolle im Bundestag belässt und nicht an das Europäische Parlament überträgt. Weil sie Macron hier nicht viel anzubieten hat, ist Merkel „sehr, sehr wichtig“, dass „Ergebnisse in der ganzen Breite“ erzielt werden: Es soll also um eine einheitliche Außenpolitik gehen – im Gespräch sind Mehrheitsentscheidungen –, ein funktionierendes Asylsystem, gemeinsamen Außengrenzschutz und eine Verteidigungsunion. Ambitioniert wollen sich Merkel und Macron auch dem Digitalen, der Forschung und der Innovation widmen, die über die Jobs von morgen entscheiden. Der Franzose vermittelt den Eindruck, dass es ihm gar nicht so sehr um die konkreten Instrumente geht, von denen Deutsche und Franzosen am Ende auch die anderen EU-Partner werden überzeugen müssen: „Wir müssen wissen, was das Ziel ist.“ Hauptsache also, dass sich überhaupt etwas bewegt in Europa. Nur in einem für CDU und CSU besonders heiklen Punkt gibt sich Macron unnachgiebig: „Keine Währungsunion kann überleben ohne Konvergenzinstrumente.“ Da ist es wieder, das Budget für die Euro-Zone, der Geldtopf, der die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Währungsunion abfedern helfen soll. Merkel hat der Unionsfraktion zu diesem Punkt signalisiert, dass es hier Gesprächsbedarf mit Frankreich gibt. Vielleicht ist dies auch der Punkt, den sie meint, als sie von einer „offenen Debatte“ und anschließender „Bereitschaft zum Kompromiss“ spricht. Bei Macrons erstem Berliner Besuch als Präsident hatte Merkel Hermann Hesse zitiert mit dem Zauber, der jedem Anfang innewohnt. Als ein französischer Journalist fragt, wo der denn angesichts der jüngsten Verstimmungen geblieben sei, räumt die Kanzlerin ein, sie habe während der langen Phase der Regierungsbildung „den Zauber ein bisschen weggelegt“. Nun aber, so Merkels deutsch-französische Wunschbotschaft an diesen Tag, „kommt er wieder“.

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