Politik Aus für deutsche Blindenschule in Tibet

Zwei Jahrzehnte unterrichtete die Bonnerin Sabriye Tenberken in Tibet blinde Kinder, um sie auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten. Chinas Führung bedankte sich auch. Doch nun wies sie die deutsche Tibetologin aus. Der Blindenschule droht das Aus.

Sabriye Tenberken hat für die tibetische Sprache die Blindenschrift entwickelt und das Blindenzentrum in Lhasa aufgebaut. Mehr als 300 blinde und stark sehbehinderte Kinder haben seit Gründung der Schule vor 19 Jahren die Punktschrift gelernt. Die gebürtige Kölnerin, die in Bonn aufwuchs und mit zwölf Jahren erblindete, hat für ihre Arbeit zahlreiche Auszeichnungen erhalten wie das Bundesverdienstkreuz und den Albert-Schweizer-Preis in Basel. Auch die chinesische Regierung schätzte ihre Arbeit und zeichnete sie 2006 mit dem Nationalen Freundschaftspreis aus. Nun wurde der 47-Jährigen das Visum nicht mehr verlängert. Bei einem Besuch in Tibet sei ihr und ihrer Organisation „Braille Without Borders“ der Entwurf eines Auflösungsvertrag vorgelegt worden. Das Zentrum, zu dem eine Grundschule im Stadtzentrum der tibetischen Provinzhauptstadt Lhasa sowie eine Ausbildungsfarm gehören, soll den Betrieb einstellen. „Das kam völlig überraschend“, sagt Tenberken. Sie, ihr Partner, der Niederländer Paul Kronenberg, sowie ein kanadischer Mitarbeiter mussten gestern ausreisen. Konkrete Gründe, warum das Zentrum nicht weitergeführt werden darf, wurden ihnen nicht genannt. Es kursiere das Gerücht, den chinesischen Behörden sei der „westliche Einfluss“ in dieser Einrichtung zu groß, so Tenberken. Vor einem Jahr hat China neue Gesetze beschlossen, die die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen stärker regulieren sollen. Sie haben zur Folge, dass Organisationen, Stiftungen und Forschungseinrichtungen aus dem Ausland ihre Arbeit nur noch unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht mehr fortführen können. Unverhohlen sprach Chinas Staatspräsident Xi Jinping bei der Einführung der neuen Gesetze von einer „Bedrohung“. Er wolle für sein Land „eine zivilisierte Gesellschaft“ ohne „westliche politische Einflüsse“. Im Fall des von Tenberken gegründete Blindenzentrums planen die Behörden dem Auflösungsvertrag zufolge, die blinden Schüler in eine chinesisch-tibetische „Spezialschule“ zu schicken. Tenberken befürchtet, dass die Kinder dort nicht ausreichend auf ein unabhängiges Leben und den Besuch einer regulären Schule oder Universität vorbereitet würden. Geprägt durch ihre eigene Lebensgeschichte wollte die Bonnerin die Kinder ihrer Schule bestmöglich fördern. Tenberken erblindete im Alter von zwölf und besuchte die Deutsche Blindenstudienanstalt in Marburg. Anschließend studierte sie Tibetologie, Soziologie und Philosophie in Bonn. 1997 reiste sie nach Tibet, wo sie Kronenberg kennenlernte. Mit ihm gründete sie 1998 die Schule und die Organisation „Braille Without Borders“ – benannt nach dem Franzosen Louis Braille, der 1825 eine Schrift aus Punktmustern entwickelte. Sie hat sich weltweit als Blindenschrift etabliert.

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