Rhein-Pfalz Kreis Wilde Helfer

Sandbienen legen ihre Nester im nackten Boden sandiger Feldwege an.
Sandbienen legen ihre Nester im nackten Boden sandiger Feldwege an.

«Böhl-Iggelheim.» Pförtner-Schmalbiene, Stumpfzähnige Zottelbiene und Luzerne-Blattschneiderbiene – Wildbienen haben schon kuriose Namen. Die eben genannten sind aber nur drei von insgesamt 15 Wildbienenarten, die für Jürgen Hass arbeiten. Weil nämlich die Honigbiene raus ist. Die Gefahr ist zu groß, dass sie Feuerbrand einschleppt. Das ist eine bakterielle Krankheit, die Apfel-, Birn- und Quittenbäume befallen kann. Der Böhl-Iggelheimer Obstbauer holt sich deshalb schon seit 1994 keine Bienenvölker mehr zum Bestäuben der Bäume in seine Anlagen. „Wir liegen im Feuerbrandgebiet“, erklärt Hass, dem dies schon einmal einen Schaden von 25.000 Mark beschert hat. Und trotzdem tragen in den Folgejahren seine Obstbäume reichlich Früchte. Hass muss im ersten Jahr sogar ausdünnen, damit seine Bäume nicht unter der Last ihrer Früchte zusammenbrechen. Irgendwer muss also die Blüten der Obstbäume bestäuben. Erst nach Jahren fallen ihm die kleinen unscheinbaren Wildbienen auf, die sich auf seinem Gelände tummeln. Darunter sind auch Sandbienen der Gattung Andrena, die ihre Nester im nackten Boden sandiger Feldwege anlegen. Von Laien werden die winzigen Löcher meist übersehen oder für Ameisennester gehalten. Seine willkommenen geflügelten, sechsbeinigen Helfer unterstützt Hass nicht nur durch das Aufhängen von Wildbienen-Nisthilfen. Der Böhler lässt an manchen Stellen auch Gräser, Stauden und Hecken stehen. „Wenn die Brombeerhecke blüht, geht`s ab“, freut er sich über regen Flugbetrieb blütenbestäubender Insekten. Seit vergangenem Jahr nehmen Forscher der Technischen Hochschule Bingen und des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz zwei Anbauflächen des Böhlers unter die Lupe. Hass bewirtschaftet nach den Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes 17 Hektar. Integrierter Pflanzenschutz nutzt verschiedene umweltfreundliche Verfahren und nur im Notfall chemische Pflanzenschutzmittel. Wobei chemisch nicht automatisch mit umweltschädlich gleichzusetzen ist, sagen Experten. Doch zurück zu den Bienen. Zwölf verschiedene Wildbienengattungen konnten die Forscher auf den Arealen des Böhlers feststellen – und dabei auch Unterschiede ausmachen. Während die Schwarzglänzende Keulhornbiene anscheinend eine Vorliebe für Kernobstblüten hat, steuert die Dickkopf-Furchenbiene lieber Steinobst an. Auf Stein- wie Kernobst gleichermaßen fliegen dagegen die Dunkle Erdhummel und vier Schmalbienenarten. Ein Höhepunkt für Hass: In seiner Kernobstanlage wurde auch Lasioglossum bluethgeni gefunden. Von dieser sehr seltenen Schmalbienenart, die noch nicht einmal einen deutschen Namen hat, sind nur sehr vereinzelte Vorkommen im Süden Deutschlands bekannt. „Solche Anlagen sind alles andere als Monokulturen. Sie können vielfältige Lebensräume sein“, kommentiert Jürgen Lorenz vom DLR die bisherigen Ergebnisse. Die in den Fahrgassen wachsenden Pflanzen böten Insekten einen abwechslungsreichen Speisezettel. Unter diesen wild wachsenden Pflanzen befinden sich laut DLR auch allerhand Arten, die auf der Roten Liste stehen, also als bedroht gelten. In dieser Hinsicht seien Obstplantagen vielfältiger als Acker- oder Brachflächen. Seinen fleißigen Bestäubungshelfern wird Hass auch künftig ein reiches Angebot an Blühpflanzen und Nistmöglichkeiten bereithalten. Beides nutzt seit vergangenem Jahr auch weidlich der Stahlblaue Grillenjäger, eine mexikanische Grabwespenart, die im Zweiten Weltkrieg durch die Amerikaner nach Südeuropa eingeschleppt wurde.

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