Kultur Wer im Glashaus sitzt

Beste Aussichten: Arp-Museum in Remagen-Rolandseck.
Beste Aussichten: Arp-Museum in Remagen-Rolandseck.

Raus aus dem Zug, dem Auto. Wer ins Arp-Museum will, muss in den Bahnhof Rolandseck aus dem Jahr 1856. Unter der Terrasse geht es in den Berghang, durch eine Röhre durch, die Schleuse. Hochschweben himmelwärts, 40 Meter. Im Lift. Und dann alle so: „Aaah“. Das umstrittene Haus am Hang ist vor zehn Jahren eröffnet worden. Eine Rückschau.

Das dreigeschossige Museumsmonument von US-Architekt Richard Meier thront ganz oben. Unten Flusslandschaft. Das Arp-Museum ist ein Glaskubus, ein Lichthaus. Der Blick! Alexander von Humboldt (1769 bis 1859) hielt ihn für einen der sieben schönsten – der Welt. Für Champions League. Das Haus selbst, getragen von einer Landestiftung, daran beteiligt das Land Rheinland-Pfalz, der Kreis Ahrweiler und die Stadt Remagen, bewegt sich in anderen Sphären – trotz seiner spektakulären Noblesse und einer Vorgeschichte, die großmaßstäblich schillernd ist. In die „Bundesliga“ wollte Ex-Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig 2008 mit dem Museum. Dessen 33 Millionen Euro teuren Neubau hat der Trickser selbst durch die Millionen des Bonn-Berlin-Ausgleichs maßgeblich mit ermöglicht. An Hofmann-Göttigs großspuriger Vorgabe aber laboriert der 2009 installierte Museumsdirektor Oliver Kornhoff wohl heute noch nachts. Hofmann-Göttig indessen wurde Oberbürgermeister von Koblenz. Rund 700.000 Besucher hatte das 4400 Quadratmeter große Museum – von dem es anfangs hieß, warum es existiere, wisse doch kein Mensch – in zehn Jahren. Aber immerhin. In der geografischen Randlage und dennoch in der Nähe von Kunstzentren wie Köln und Bonn. Allerdings, Stichwort Bundesliga, kamen, nur zum Vergleich, rund 800.000 Besucher in das Museum Folkwang in Essen allein im Jahr 2010. 490.000 in die Berliner Gemäldegalerie. 406.000 in das Germanische Nationalmuseum Nürnberg. In die Pfalzgalerie 2016 derweil 35.000. Das besucherstärkste reine Kunstmuseum im nicht als Nabel der Kunstwelt verschrienen Rheinland-Pfalz ist das Arp-Museum wohl schon. Als Streitobjekt dagegen dürfte das Haus indessen unvergleichlich sein. Es verdankt sich vor allem dem, nennen wir ihn so: Galeristen, Johannes Wasmuth. Einem Mann mit großem und schwachem Herzen, der elf Jahre vor der Einweihung des Museums starb. Ein Bonvivant und Vereinnahmungsvirtuose, der irgendwie zum Nachlassverwalter der Werke von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp avancierte. Wasmuth mietete den Rolandsecker Bahnhof, damals Ruine, jetzt historischer Trakt des Arp-Museums, anfangs der 1960er-Jahre von der Bahn. Ein Ort der Avantgarde, für den Stockhausen extra ein Musikstück komponierte, in der ein durchfahrender Intercity eine Rolle spielte. Er kam zu spät. Wasmuth, war es auch, der dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl abrang, dass aus dem Bahnhof eine Stiftung wurde. Er hatte die Idee mit dem Museum. Er traf 1978 den Architekten Richard Meier und beschwatzte den Star-Architekten, einen Entwurf einzureichen. Wasmuth ist der Spiritus Rector des Arp-Museum und gleichzeitig nicht ganz unschuldig an dessen sehr langem, verstolpertem Vorlauf. Im Mittelpunkt stand dabei oft der von Wasmuth gegründete Verein Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, dem das Land eine mehrere Millionen Euro teure Sammlung abkaufte. Auch in Sachen Museum war der Verein, der immerzu mit irgendwem im Clinch lag, anfangs vertraglich involviert. Später trennt man sich unleise. Der Verein stritt um Besitzrechte mit der Arp-Fondation in Paris und der Schweizer Fondazione Marguerite Arp. Dann musste er an das Land bereits verkaufte Werke zurücknehmen, weil deren Herkunft und Echtheit umstritten waren. 2005 scheiterte der eigentlich vorgesehene Gründungsdirektor des Museums, Raimund Stecker, unter anderem an seiner Weigerung, 49 geplante postume Güsse von Werken aus dem Arp-Vereinsbestand als Originale anzuerkennen. Aber auch sein als Nummer sicher eingesetzter Nachfolger, Altmeister Klaus Gallwitz, ließ bei der Eröffnungsausstellung „Hans Arp. Die Natur der Dinge“ am 29. September 2007 große Teile der Sammlung links liegen. Aus Skepsis. Ein Affront. Gallwitz merkte damals – in einem RHEINPFALZ-Interview – an, dass das Museum „für unseren Arp-Bestand zu groß ist.“ Als Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp ausschließlich gewidmetes Haus funktioniert das Museum nicht – auf Dauer. Rettung, vorläufig, nahte aber dann schon 2008 mit Teilen der Sammlung aus dem Nachlass des deutschen Kunstmäzens Gustav Rau, die als eine der weltweit wertvollsten gilt. Geschätzter Wert: eine Milliarde Euro. Arbeiten aus dem Mittelalter bis zu den Impressionisten, von Rembrandt-Schüler Gerard Dou, Fragonard und weiter so. Besitz des Kinderhilfswerks Unicef mittlerweile. Das Arp-Museum schloss einen Leihvertrag. Über 275 Werke, mit denen das Haus seither aus einer sogenannten Kunstkammer heraus wuchert, wenn sie die Unicef – medial umtost – nicht gerade verkauft und ein Sammler für Jean-Baptiste Camille Corots „Die Algerierin“ und die „Ansicht aus der Hermitage, Pontoise“ von Camille Pissarro mutmaßlich 16 Millionen Euro zahlt. Direktor Oliver Kornhoff jedenfalls führt das Arp-Museum nicht ungeschickt als Herzensangelegenheit. „Niederschwellig und sinnlich“, wie er sagt. Er nennt es „Exzellenzort im Südwesten“. Da hat er Recht. Die Karnevalsgarde „Rote Funken“ tanzte zur Preußen-Ausstellung, eine Abordnung der Huni Kuin, einer indigenen Ethnie in Südamerika weihte eine Schau des Brasilianers Ernesto Neto ein. Und bei der „Genese Dada“-Ausstellung 2016 tropfte es vom Flachdach aus in eine Schüssel herab, was jedoch unbeabsichtigt war. Zur Eröffnung der erfolgreichsten Schau dieser Zeit im Arp-Museum fuhr in den historischen Bahnhof eine Dampflokomotive vor. „Lichtgestöber. Der Winter im Impressionismus“. Natürlich war die Kunstkammer Rau ihr Ort. 2012 war das. 63.000 Besucher kamen. Jetzt erst dräut Reichweiten-Überbietung. Noch schöner nie jedenfalls ließ eine Ausstellung das Arp-Museum aussehen als die mit den monumentalen, bis zu neun Meter breiten Plastiken des Moderne-Klassikers und alten Hans-Arp-Freundes Henry Moore, die seit Mai gezeigt wird. 45.000 Besucher waren schon da, bis Januar 2018 läuft „Henry Moore – Vision, Creation, Obsession“ noch. Eine herzschießende Installation innen und im Außenraum. Sogar eine Schafherde wurde extra angesiedelt, die Moores „Three Peaces“ umgrast. Das gibt wieder „Ooohs“ und „Aaahs“. Info Am Samstag feiert das Arp-Museum bei freiem Eintritt ein Geburtstagsfest. Programm etc.: arpmuseum.org/

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