Kultur Serie „50 Zeilen Chanson“: Das Lied der Stunde heißt „Resiste“, Widerstehen

Zu Unrecht als blondes Chanson-Püppchen verschrien: France Gall.
Zu Unrecht als blondes Chanson-Püppchen verschrien: France Gall.

Gestern noch die große Show, die Zeremonie der Victoires de la musique, vor tausenden Zuschauern in der „Seine musicale“, dem von den Architekten Shigeru Ban und Jean de Gastines wie ein glitzerndes Schiff an der Ile Seguin mitten im Fluss verankerte Pariser Kulturzentrum. Live übertragen in Frankreichs Wohnzimmer. Und dann plötzlich Konzerte aus eben jenen Wohnzimmern. Gleich nachdem Präsident Macron seine Landsleute dazu aufgefordert hatte, zu Hause zu bleiben, flimmerte eine Show voller Wohnzimmerkonzerte – gewidmet allen, die das Virus an vorderster Front bekämpfen – über die Bildschirme. Kein aufgemotzter Sound mehr, nur zwei einsame Moderatoren im Studio, die sichtbar mit ihrer ungewohnten Rolle ohne Publikum fremdelten. Aber es war schon anrührend, was dann dabei heraus kam: Zwischen Hausgemachtem von Nicht-Profis wirkten auch Stars wie Carla Bruni oder Patrick Bruel mit einem Mal gar nicht so viel anders. Und dann hat man nachgedacht, was im eigenen Wohnzimmer jetzt angebracht wäre zu hören. Weil die Zeiten sind wie sie sind, flog da zuallererst der „Aigle noir“ durch die Gedanken, jenes geheimnisvolle Lied der großartigen Barbara, von dem man viel später erfuhr, es könne von Inzest handeln. Die Schwingen eines schwarzen Adlers scheinen sich auch jetzt gerade über das Leben zu legen. Nein, keine gute Idee für den Moment. Da sollte man viel eher mal bei Michel Berger (Musik) und France Gall (Text) nachhören, der hierzulande ein wenig zu Unrecht das Image des naiven blonden Chansonpüppchen anhaftete: „Resiste“ (1981) ist das Lied der Stunde: „Widerstehen“ – gegen ein Leben, das über Dich bestimmt, gegen eine seelenlos gewordene Welt. Macht Mut und kann momentan in Dauerschleife gehört werden. gil

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