Kultur Prinzessinnen-Loft

Charmebolzen von einem Großraum: Die Architektur innen.
Charmebolzen von einem Großraum: Die Architektur innen.

Gleisweiler, Welt-Sonnenseite. Pfälzer Land, wo die Zitronen blühen. Das Haus von Monika Burg steht ein ganzes Stück zurückgesetzt auf einer Wiese in der Kronstraße 10, mittendrin. Eine Lebensbühne mit einem zuziehbaren Holztor als Vorhang. Eine Scheune früher, jetzt Loft. Pfälzisches Nizza nennt sich der Ort. Gleisweiler hat knapp über 600 Einwohner/innen. Monika Burg lebt urban auf dem Land. Ihre Eltern waren Winzer. Die Tochter fährt zur Arbeit nach Karlsruhe. Wo früher gewirtschaftet wurde, ist jetzt die feste Burg der Krankenschwester, die, wie sie gesteht, einem Prinzessinnentraum nachhängt. Scheune, Haus: Lampevier, das tätige Architektur- und Ingenieurbüro, hat so wenig wie nötig eingegriffen, um viel zu erreichen, eine minimal invasive Operation. Herausgekommen ist jedenfalls eine Architektur, die ihre Herkunftsgeschichte als Nutzgebäude lesbar hält und gleichzeitig sehr heutig wirkt. Das Entree, die reinste Untertreibung. Eine kleine Tür im Zwischenbau von Elternhaus und Scheune, von der man sofort annimmt, dass sie quietscht. Erst einmal befindet man sich in einer Art großen Waschküchenheizungskellerabstellkammer. Alles sehr unprätentiös. Ein Filzvorhang hängt vor der Türöffnung. Ein tritt man dann seitlich in einen Charmebolzen von einem Großraum. Ganz viel Licht fällt ein. Als Empfangsdame fungiert die Herzogin von Cambridge, lebensgroß – aus Pappmaché, Prinzessin Kate. Das in Gleisweiler tätige Architekturbüro heißt Lampevier, weil? Der Name kommt daher, dass vier Lampes aktiv sind – Vater Lampe, zwei Brüder und eine Ehefrau, Sonja Lampe, die aus der Pfalz stammt, ihr Mann Dirk ist aus Goslar wie der Rest der Familie. Kennengelernt hat sich das Paar an der Bauhaus-Universität in Weimar. Das Büro hat fünf Dependancen, darunter in Herxheim und Landau. In der Hauptsache von hier aus schreibt sich Lampevier in die Pfalz ein. Mit Kindergärten-Neubauten in Sankt Martin oder Herxheim zum Beispiel. Mal baut das Büro wie in Landau einen Bauhof, mal ein Einfamilienhaus. Auf dem Gelände der Landauer Landesgartenschau haben sich die Lampes mit Ausstellungshallen und der Kindertagesstätte „Wilde 13“ auch verewigt. Es gibt zahlreiche Umbauten von ihnen, ein Haus am See in Speyer zum Beispiel, das beim rheinland-pfälzischen Tag der Architektur 2016 einer der Magneten war. Für die Ausgabe im Juni, das sei verraten, hat die Jury jetzt das Gleisweilerer Haus von Monika Burg als vorbildlich ausgewählt. Dass es existiert, erzählt Dirk Lampe, ist seiner Frau Sonja zu verdanken. Eigentlich wollte die Bauherrin etwas Neues auf das weitläufige Grundstück ihrer Eltern stellen, ein Mini-Haus, die Gattung ist gerade sehr en vogue. Dann aber, bei der Ortsbesichtigung, fiel der Architektin die rumpelig gewordene Scheune auf. Und Heureka! Alle hätten sich gesagt, warum eigentlich nicht darauf bauen, was es schon gibt? Zwischen Bauherrin und Architektin, Schulfreundinnen, herrscht – wie man wissen muss – eine Art Urvertrauen. Und das merkt man. Das Haus, gefördert mit Mitteln des rheinland-pfälzischen Dorferneuerungsprogramms, strahlt heimelige Großzügigkeit aus. Es hat 230.000 Euro gekostet. Pur wirkt es mit den unverputzten Ziegelwänden, den Ursprungs-Stützbalken und der originalen Holzdecke in Scheunenhöhe. So sieht Bauen im Bestand im besten Sinn aus, Maßschneiderei auch, die dem Vorhandenen spielerisch-wertig aufhilft wie im separaten Bad, das eine Aura zwischen Mönchszelle und 5-Sterne-Hotel entwickelt. Ein wesentlicher Ertüchtigungstrick des alten Gemäuers ist der Einzug einer neuen Wand mit flurbreitem Abstand zur vorhandenen aus Sandstein, die durch ihre Lage teilweise feucht ist und so durchlüftet und ausgetrocknet werden kann. Die Außenfenster, die rückseitig auf Kniehöhe zur Straße Zum Sonnenberg hin lugen, sind dabei trichterförmig überbrückt. Zudem ist in den Innenraum ein Multifunktions-Wohnmöbel aus Holz eingestellt. Es dient als erhöhtes Schlafpodest, unter dem sich der begehbare Schrank befindet. Außerdem ist das Teil als Regal nutzbar, mit eigener Nische für die Kochbücher, die in Griffweite zum mit Ziegelsteinen freistehend eingemauerten Kochblock aus Edelstahl stehen. Sie koche gern, sagt Monika Burg. Ein langer Esstisch quert. Von der Decke hängen gleich einige Leuchten zwischen Industrie- und Bühnenoptik, die Bakelit-Lichtschalter an den Wänden sind Vintage. Alles wirkt stilsicher bis originell, wenn auch untauglich für Menschen, die gerne ihre Jägerzäune feilen. Das Loftgefühl entsteht unter anderem durch den industriellen Fußboden, die Verglasung der Toröffnung, während das ursprüngliche Scheunentor davor als Sicht- und Sonnenschutz auf- und zu gerollt wird. Die Kubatur hat südwestlich zu einer Terrasse hin jetzt einen verglasten Ausgang. Ein Haus als Ort der Blicke. Beim Spülen öffnet so ein zusätzliches, schlanksprossiges Fenster die Perspektive auf den Garten. Wer von draußen reinschaut aber, sieht drinnen im Loft mindestens eine Prinzessin stehen.

Früher Scheune, jetzt Loft: Haus in Gleisweiler.
Früher Scheune, jetzt Loft: Haus in Gleisweiler.
Aura zwischen Mönchszelle und 5-Sterne-Hotel.
Aura zwischen Mönchszelle und 5-Sterne-Hotel.
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