Kultur Morbid schöne Mordlust

Tödliche Allianz: Astrid Vosberg als Mrs. Lovett und Alexander Franzen in der Rolle des Sweeney Todd.
Tödliche Allianz: Astrid Vosberg als Mrs. Lovett und Alexander Franzen in der Rolle des Sweeney Todd.

Das Musical hat am Pfalztheater Kaiserslautern eine große Tradition, die vom einstigen Intendanten Wolfgang Blum über diverse deutsche Erstaufführungen bis zu den aktuellen Eigenproduktionen um Andy Kuntz und die Band „Vanden Plas“ reicht. Erwartungsgemäß applaudier- und jubelfreudig gab sich das Publikum am Samstag zur Premiere des Stephen-Sondheim-Musicals „Sweeney Todd“.

Die gar schröckliche Geschichte des „teuflischen Barbiers aus der Fleet Street“, der nach dem Verlust von Frau und Tochter in 15-jährige Verbannung geschickt wird und nach seiner Rückkehr Dutzenden Kunden im Rasierstuhl die Kehle durchschneidet, ist hierzulande eher durch Tim Burtons blutig-skurrile Verfilmung von 2008 bekannt. Am Pfalztheater zeichnet Axel Stöcker für die Inszenierung verantwortlich, der aus dem Sondheim-Opus eine amüsante, schaurig-böse Nummernrevue voller Grimm macht. Um die bittere Moritat einer hoffnungs- und ausweglosen Welt ins angemessen modrige Bild zu rücken, greift der 1959 geborene Wuppertaler beherzt und tief in die Effektekiste. Pittoresk düstere Kostüme (Andrea Spanier) und das überwiegend karg ausgeleuchtete Bühnenbild von Anna Kirschstein und Peer Palmowski im Stil des deutschen Stummfilm-Expressionismus verleihen dem Spiel um Sweeneys silbernes Rasiermesser den visuell adäquaten Rahmen. Ihn durchschreitet eine Darstellerriege, die ihren Spaß am bluttriefenden „Grand Guignol“ in keinem Augenblick verhehlt. Den doppelt besetzten Bartschneider Sweeney gab in der Premiere der auf Musicals abonnierte Alexander Franzen, ein schöner Mann mit schöner Stimme, dem der Wechsel vom gewohnten Singspiel-Tralala zum rachelüsternen Massenmörder trefflich gelingt. Kaiserslauterns wandlungsfähiger Buffobariton Daniel Böhm mutiert diesmal zum lüsternen Richter. Dessen bedrängtes Mündel und unwillige Braut ist zugleich Sweeneys Tochter, dargestellt als herzallerliebst darbendes Unschuldslämmlein von der in Ungarn geborenen Lautererin Adrienn Cunka. Sein darstellerisches Debüt als richterlicher Handlanger absolviert überzeugend Stephan Hugo, bislang bekannt als Sänger der Rockband „Winterland“. Publikumsliebling Peter Floch ist am Pfalztheater ob seiner Stimmbeherrschung und Spielfreude immer eine sichere Bank, so auch diesmal als exaltierter, früh gemeuchelter Barbier-Konkurrent Pirelli. Die wunderbare Astrid Vosberg zu preisen, kommt in der Barbarossastadt dem Ansinnen gleich, Hechte in die Lauter zu tragen. Die Sopranistin stand in den großen Musicalrollen in Stuttgart, Wiesbaden, Karlsruhe, Kassel, Dortmund, Augsburg, Bremen, Innsbruck und am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz erfolgreich auf der Bühne – und hält dennoch der Pfalz die Treue. In der Rolle des Pastetenbäckerin Mrs. Lovett, welche die Überreste von Sweeneys marodierender Mordlust entsorgt, bereichert sie ihr Figurenarsenal durch eine krächzend-kreischende Matronen-Megäre mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Zum unguten Schluss entleibt Mrs. Lovett schließlich höchstselbst den – heimlich und mit Heiratsabsichten verehrten – Untermieter Sweeney. Der Chor (Leitung: Johannes Köhler) intoniert „Das war die Ballade von Sweeney Todd“ und schlägt damit den Bogen zur antiken Tragödie, wie überhaupt der Rasiermesser-Rächer zwar als schaurige, aber auch romantisch-verlorene Figur erscheint. Akustisch grundiert wird diese Doppelbödigkeit von Sondheims kompositorischem Stilmix, dessen Zitat- und Assoziationsreichtum das Orchester des Pfalztheaters unter Stabführung von Generalmusikdirektor Uwe Sandner glänzend bewältigt. Indes ist glanzvoll natürlich nicht das passende Attribut für das mörderische Sujet. Denn „Unholde stehen stets bereit“, wie es in einem der Songs heißt. So morbide schön kann musikalische Mordlust sein. Info Nächste Vorstellungen am Mittwoch, 9. Mai, und Samstag, 12. Mai, jeweils um 19.30 Uhr im Pfalztheater Kaiserslautern.

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