Kultur Krimiautorin Monika Geier: „Literatur kann für viele die Welt verändern“

„Ich glaube, die MeToo-Debatte hat viel bewirkt, da muss man jetzt einfach dran bleiben“, sagt Monika Geier.
»Ich glaube, die MeToo-Debatte hat viel bewirkt, da muss man jetzt einfach dran bleiben«, sagt Monika Geier.

„Literatur von Frauen, gerade mit politischen Themen, verdient mehr Aufmerksamkeit, als ihr momentan zuteil wird“, postulieren die renommierten deutschen Krimiautorinnen, die sich im Netzwerk „Herland“ zusammengeschlossen haben und den Blog https://herlandnews.com betreiben. Zu ihnen gehört auch die Westpfälzerin Monika Geier, die nun das vierte Herland-Kolloquium ausrichtet: Am 3. und 4. August treffen sich elf Autorinnen in Kaiserslautern und Pirmasens zu einer öffentlichen Diskussion und zu Lesungen. Ein Gespräch über Ziele und Hoffnungen.

In der aktuellen Krimibestenliste des Monats Juli (präsentiert von der „FAS“ und Deutschlandfunk Kultur) rangieren auf den ersten zehn Plätzen vier Frauen, darunter zwei an der Spitze. „Es macht sich“, freut sich Monika Geier darüber. Die in Thaleischweiler-Fröschen lebende Krimiautorin sagt aber auch: „Gleichberechtigung ist noch lange nicht da.“ Darum gibt es das Netzwerk „Herland“, das seinen Namen einem utopischen Roman aus dem Jahr 1915 verdankt. Charlotte Perkins Gilman erzählte darin von einem Ort, an dem nur Frauen leben, glücklich, friedlich, bis plötzlich einige Männer auftauchen. „Sehr eindrucksvoll“, sagt Monika Geier über die Lektüre. Das Herland-Netzwerk aber will keine Utopie sein, sagt die 48-Jährige. „Wir sind ein Zusammenschluss ganz unterschiedlicher Frauen, die das Augenmerk anderer Frauen – und von Männern – auf Ungerechtigkeiten lenken möchten.“ Es gehe aber vor allem auch darum, Frauen zu bestärken und zu fördern. In ihrem eigenen Schreiben haben sich die Netzwerkerinnen, die bei einer gemeinsamen Lesung im niedersächsischen Bienenbüttel die Idee zu „Herland“ hatten, vorgenommen, für mehr gesellschaftliche Relevanz zu sorgen. Dazu gelte es, realistisch weibliche Lebenswirklichkeiten darzustellen. Eine alleinerziehende Kommissarin etwa in den Mittelpunkt zu stellen: Monika Geier selbst – geboren in Ludwigshafen, zum Studium nach Kaiserslautern gegangen und nun in der Südwestpfalz zu Hause – schreibt über die Ludwigshafener Ermittlerin Bettina Boll, die die Kinder ihrer verstorbenen Schwester großzieht, einen klapprigen Taunus fährt und noch ein altes Haus bei Grünstadt an der Backe hat. Geier selbst ist alleinerziehend, hat drei Kinder und kann vom Schreiben nicht wirklich leben. Die treibende Kraft beim Herland-Netzwerk aber, berichtet sie, ist ihre Verlegerin Else Laudan: die Chefin des Argument-Verlags, zu dem die Ariadne-Krimireihe gehört, in der auch Geiers Romane erscheinen – und die aktuellen Nummern eins und zwei der eingangs erwähnten Bestenliste: „Blut Salz Wasser“ der Schottin Denise Mina und Dominique Manottis „Kesseltreiben“. Sie streite schon seit 1988 „für feministischen Realismus im Genre“, beschreibt Laudan im Herland-Blog ihr Engagement. Und: „Es erfordert Mut, Talent, Idealismus, Geduld und irrwitzige Recherchearbeit, das Unkolportierte im Zeitgeschehen sichtbar, den verschwiegenen Alltag denkbar und die Wahrheit als ein Gemenge widersprüchlichen menschlichen Handelns begreifbar zu machen – und damit Literatur zu schaffen.“ Ein Satz, der zu Monika Geiers jüngstem Roman „Alles so hell da vorn“ gut passt: Geier bezeichnet sich zwar gern selbst als Vertreterin der „U-Abteilung“, erzählt hier aber nuanciert von Kindesentführung, Pädophilie, Zwangsprostitution. Und Polizisten als Tätern. Ihre Kunst offenbart sich vor allem im Tonfall: Trotz des schweren Themas schreibt sie weder verbissen noch verbittert, sondern streut stets Humor ein. Und so entwickeln sich die teils aufbegehrenden jungen Frauen zu komplexen Charakteren, die anrühren und im Kopf bleiben. Der Faszination von „Alles so hell da vorn“ sind inzwischen auch Filmemacher erlegen. Eine TV-Produktionsfirma habe Interesse signalisiert, erzählt Geier, die aber weiß, dass der Weg ins Fernsehen noch lang sein kann. Ihre eigene Branche hat schneller reagiert: Für den herausragenden aktuellen Boll-Roman hat Monika Geier den zweiten Platz beim Deutschen Krimipreis 2018 errungen. Ein großer Erfolg. Der erste Preis wäre natürlich noch schöner gewesen, aber ihn gewann Oliver Bottini. Literarische Preise gingen noch deutlich öfter an Männer als Frauen, sagt Monika Geier. Aber die Boll-Schöpferin ist dann doch niemand, der sich gern laut beschwert und schiebt nach: „Ich schaue lieber auf Erfolge.“ Auch habe sich in puncto Gleichberechtigung doch schon einiges entwickelt: „Ich glaube, die MeToo-Debatte hat viel bewirkt, da muss man jetzt einfach dran bleiben.“ Um eine Bestandsaufnahme soll es denn auch im gemeinsamen, öffentlichen Werkstattgespräch gehen, das die elf Teilnehmerinnen des Herland-Kolloquiums am 3. August in Kaiserslautern führen. Ein offener Austausch ist geplant – auch mit dem Publikum, kündigt Organisatorin Geier an. Die Autorinnen werden auch ihre jeweiligen Positionen schildern. Monika Geier etwa glaubt fest daran, dass der Weg zu einem größeren Publikum über den Faktor Unterhaltung führt: „Es gibt keine Kunst, die ohne Unterhaltung funktioniert – ohne den Funken, der alles glänzen oder schimmern lässt. Dann entsteht ein Sog, dann wollen die Leute das lesen, weil es die Realität abbildet.“ Und so ist sie optimistisch, auch mit gesellschaftspolitischen Themen viele Leser erreichen zu können: „Die Leute wollen ja wissen, wie die Welt funktioniert, auch weil es sie beruhigt.“ Und sie bleibt Idealistin: „Literatur kann total viel erreichen, eine andere Perspektive eröffnen – und für viele die Welt verändern.“ Lesezeichen/Termin —Monika Geier: „Alles so hell da vorn“; Argument/Ariadne; 2017; 352 Seiten; 13 Euro. —Herland-Bühnengespräch, 3. August, 20 Uhr, Künstlerwerkgemeinschaft Kaiserslautern, Bremerstraße.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x