Kultur Erste weibliche Leiterin für Ludwigshafener Kultur- und Veranstaltungshaus

„Ich habe mehrere Heimaten“, sagt die in Friesenheim aufgewachsene Immacolata Amodeo, die seit 1. Oktober das Ernst-Bloch-Zentru
»Ich habe mehrere Heimaten«, sagt die in Friesenheim aufgewachsene Immacolata Amodeo, die seit 1. Oktober das Ernst-Bloch-Zentrum leitet.

Klaus Kufeld hat das Ludwigshafener Ernst-Bloch-Zentrum über 20 Jahre lang geleitet. Seit Monatsbeginn nun hat Immacolata Amodeo seine Nachfolge angetreten. Sie ist die erste Frau auf dem Leitungsposten des Ludwigshafener Kultur- und Veranstaltungshauses und bringt selbstverständlich auch einen anderen Geist und andere Interessen mit. Die deutsch-italienische Herkunft der Literaturwissenschaftlerin schlägt sich in ihrem Lebenslauf ebenso nieder wie in ihrer Forschung. Eine Begegnung.

Schon in ihrer vorherigen Position als Generalsekretärin des Deutsch-Italienischen Zentrums für Europäische Exzellenz Villa Vigoni am Comer See, die sie 2012 antrat, war Immacolata Amodeo die erste Frau. Die Frage liegt nahe: Warum hat sie eine Villa am Comer See, eine der schönsten Regionen der Welt, gegen Ludwigshafen eingetauscht, dem der zweifelhafte Ruf der hässlichsten Stadt Deutschlands vorauseilt? „Es gibt nur einen Ort, der den Comer See toppen kann, und das ist Ludwigshafen“, sagt die neue Direktorin lächelnd. Der Comer See, das sei „ein Postkartenbild“, die Villa Vigoni habe eine „Zauberberg-Atmosphäre“, fügt sie erklärend hinzu. Ludwigshafen hingegen, mit seiner Industrieästhetik und dem Rhein, trage „das wirkliche Leben“ in sich. Dabei blickt sie aus dem Fenster ihres Arbeitszimmers auf den nahen Fluss und das Mannheimer Schloss auf der anderen Rheinseite.

In Friesenheim aufgewachsen

Immacolata Amodeo fällt es vielleicht leichter als anderen, sich in Ludwigshafen heimisch zu fühlen. Denn hier, in Friesenheim, ist sie aufgewachsen. Sie hat immer noch Verwandte in der Stadt und Schulfreundinnen vom Geschwister-Scholl-Gymnasium, wo sie 1981 ihr Abitur abgelegt hat. In den vergangenen Jahrzehnten, während ihres Studiums und ihrer Lehrtätigkeit an Universitäten, hat die 57-Jährige die Stadt ihrer Kindheit und Jugend daher immer wieder einmal besucht. Geboren wurde sie freilich in Carfizzi, einem kleinen Ort in Kalabrien, bis sie mit drei Jahren mit ihrer Familie ihrem Vater folgte, der einer der ersten Gastarbeiter bei der BASF war. „Ich war die erste in meiner Familie, die studiert hat“, erzählt die neue Direktorin ohne Allüren. Sie habe das Glück gehabt, in die Zeit des sogenannten Wirtschaftswunders hineingeboren zu sein, und weiterhin das Glück, dass ihre Eltern großen Wert auf Bildung gelegt hätten. Immacolata Amodeo ist in zwei Kulturen und in zwei Sprachen zu Hause. Ihre Universitätslaufbahn schlug sie aber in Deutschland, nicht in Italien ein. Sie studierte Literaturwissenschaft in Perugia, Frankfurt und Siegen und promovierte über deutschsprachige Literatur von Migranten. In „Die Heimat heißt Babylon“, so der Titel ihrer Dissertation, sei es ihr darum gegangen, durch Migration bewirkte kreative Effekte in der Sprache aufzuspüren, Einsprengsel wie neue Sprachbilder oder andersartige Satzstrukturen. Von sich selbst sagt die 57-Jährige, sie habe nicht nur eine Heimat, sondern „mehrere Heimaten“. Ihr Forschungsthema setzte die Literaturwissenschaftlerin später als Mitherausgeberin eines Sammelbandes über den Einfluss, den aus Afrika eingewanderte Autoren auf die italienische Literatur ausgeübt haben, fort: „Italien in Afrika – Afrika in Italien“. Sie ist daher erfreut, dass sie am 15. November Achille Mbembe, einen der profiliertesten politischen Philosophen Afrikas mit dem Forschungsschwerpunkt auf Kolonialismus, im Bloch-Zentrum begrüßen kann, wo ihm der Ernst-Bloch-Preis der Stadt Ludwigshafen überreicht werden wird. An der Wahl Mbembes war die neue Direktorin zwar noch nicht beteiligt, sie findet aber ihre uneingeschränkte Zustimmung. Und sie bedauert, dass die Italiener „ein sehr gestörtes Verhältnis zu ihrer kolonialen Vergangenheit“ haben.

Schwerpunkt liegt auf Gleichberechtigung

Es folgte die Habilitation an der Universität Bayreuth über „Das Opernhafte“. Eine ästhetische Kategorie Antonio Gramscis aufnehmend, „il gusto melodrammatico“, untersuchte sie ihre Wirkung auch auf andere Künste in Italien wie in ganz Europa. In Bayreuth, wo sie zehn Jahre lehrte, hat sie selbstverständlich die Richard-Wagner-Festspiele besucht und sich auch in diesem Jahr dort eingefunden, ohne eine fanatische Wagnerianerin zu sein. Von der neuen Direktorin wird daher eine stärkere Öffnung des Bloch-Zentrums zur Musik zu erwarten sein. Während ihrer auf Bayreuth folgenden Zeit als Professorin an der Jacobs University in Bremen wiederum hat sie in der Hansestadt ein Literaturfestival ins Leben gerufen, das bis heute weiterbesteht. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit gilt der Gleichberechtigung, insbesondere in der Wissenschaft. Amodeo ist nicht nur Mitherausgeberin des Sammelbandes „Frau Macht Wissenschaft“ über Wissenschaftlerinnen einst und heute. In Bayreuth war sie auch Gleichstellungsbeauftragte an der Universität. Je höher die Rangstufe, desto weniger Frauen, stellt sie fest. In Deutschland würden die Professorenstellen in den Geisteswissenschaften nur zu 20 Prozent von Frauen besetzt, in den Naturwissenschaften sei der Anteil sogar noch geringer. In Italien, selbst in der Türkei gebe es mehr Frauen in der Wissenschaft als in Deutschland. Bleibt ihr Verhältnis zu Bloch. Sie habe zwar keine Bücher über Bloch geschrieben, sagt Amodeo, ihre literaturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen aber sehr wohl seiner Philosophie geöffnet. Blochs ungeheures Werk, das die unterschiedlichsten Themen umfasst, bringt sie auf die Trias: „Jesus – Karl May – Karl Marx“. Und zwischen Antonio Gramsci, der bisher ein Zentrum ihrer Forschungen gebildet hat, und Ernst Bloch erkennt sie gewisse Ähnlichkeiten: Beide seien eigenständig denkende, keine dogmatischen Marxisten gewesen, beide hätten kein geschlossenes Gedankengebäude hinterlassen, beide seien aufgeschlossen für Künste wie Theater und Musik. Vorerst betrachtet sich Immacolata Amodeo aber vorrangig als Organisatorin und Repräsentantin, ähnlich wie zuvor als Generalsekretärin des deutsch-italienischen Zentrums am Comer See. Im Unterschied zu der dortigen „Zauberberg-Atmosphäre“ mit Konferenzen, Tagungen, Doktorandenseminaren und Wissenschaftskongressen wird sie jetzt jedoch ein Haus führen, das der breiten Öffentlichkeit offensteht. Darauf freut sie sich.

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