Kultur Er reiste zum Mittelpunkt der Erde

Vertonte Jules Verne und die Legende von König Arthur: Synthesizer-Pionier Rick Wakeman.
Vertonte Jules Verne und die Legende von König Arthur: Synthesizer-Pionier Rick Wakeman.

Als Mitglied der Band Yes ist Rick Wakeman berühmt geworden – eine wechselvolle Beziehung. Er stieg ein, stieg aus, stieg ein, stieg aus. Kein anderer hat die Progressive-Band so oft verlassen und ist so oft zurückgekehrt – fünf Mal insgesamt. Doch heute an seinem 70. Geburtstag und nach fast 50 Jahren im Musikgeschäft, hat seine Biografie weit mehr zu bieten als die Teilnahme an Yes-Klassikern wie „Close To The Edge“ oder „Tormato“.

Musik stand hoch im Kurs bei der Familie Wakeman im Londoner Stadtteil Perivale. Auch der kleine Richard Christopher, den alle nur Rick riefen, interessierte sich in der Schule und seiner Freizeit besonders für Musik – vor allem für das Klavier. Während einer Schulaufführung spielte er ein kleines Instrumental, und als die Eltern dem Knirps brav applaudierten, verbeugte er sich höflich und spielte unaufgefordert das Ganze noch einmal. Als Rick Wakeman später als 16-Jähriger am Royal College Of Music studierte, stand zwar auch Klarinette auf dem Stundenplan, er aber konzentrierte sich auf Tasteninstrumente aller Art. Bevor Wakeman mit der Progrock-Legende Yes zu weltweiten Ehren gelangte, war er in den berühmten Londoner Trident Studios als Keyboarder fest angestellt und verhalf mit seiner Arbeit David Bowie, T. Rex oder Elton John zu so manchem Hit. Als Komponist verdiente er sich zunächst seine Sporen bei den Folkproggern The Strawbs, bevor er mit Yes weltweit die Stadien füllte. Doch Wakeman strebte stets nach Höherem, fühlte sich mal unterfordert, mal missverstanden und versuchte sich in Solo-Projekten zu verwirklichen. Herausragendes Beispiel: sein Konzeptalbum „Journey To The Centre Of The Earth“, das vor 43 Jahren erschien. Es war das rechte Stück zur rechten Zeit: Eine Reise, die nur vordergründig den Spuren Jules Vernes ins Innere der Erde folgte, tatsächlich aber in die psychedelische Welt der Drogenerfahrung führte, in die Katakomben des Unterbewussten – und letztlich auch an die Grenze der Popularmusik. Mit dem Donnern und Zirpen seines Synthesizers öffnete Wakeman ein bis dahin unvermessenes Klanguniversum. Die Fanfare, mit der die Platte beginnt, und als Leitmotiv immer wieder auftaucht, wurde gleichsam zur Hymne einer neuen Musikrichtung: des Bombast-Rocks. Das Album verkaufte sich mehr als zwölf Millionen Mal. Das war Anfang der 70er Jahre. „Synthesizer waren neu, es gab unheimlich viel zu entdecken, und wir versuchten permanent, unsere künstlerischen Grenzen so weit wie möglich auszudehnen – immer auf des Messers Schneide mit der damals vorhandenen Technologie“, erinnert sich Wakeman. „Das hat zu Ergebnissen geführt, über die ich mitunter heute noch staune“. Auch mit exzessiven Soloshows sorgte er in den Siebzigern für Furore: So unternahm er 1975 den Versuch, sein Album „The Myths And Legends Of King Arthur And The Knights Of The Round Table“ in der Wembley Arena als Eislauf-Show aufzuführen. Der Begriff „exzessiv“ trifft nicht nur auf Rick Wakemans opulente Musik und deren optische Umsetzung zu, sondern auch auf seine Arbeitsweise und sein Privatleben. Es gab Jahre, in denen er vier, fünf Alben veröffentlichte, 1993 waren es sechs, 1995 sogar zehn. Bereits im Alter von 25 Jahren hatte er drei Herzattacken. Später folgten drei Scheidungen und bis Mitte der Achtziger hatte ihn der Alkohol fest im Griff. Nach einer Entziehungskur bekannte er sich zu den Wiedergeborenen Christen und probierte sich im weiten Feld der New-Age-Musik aus. Wakeman traf viele Große der Geschichte, er speiste mit Margret Thatcher und Fidel Castro, doch auf die Frage, wer ihn am meisten berührte, sagt er: „Jesus, der mir das Leben gegeben hat.“ Rick Wakeman ist eine Progrock-Legende und auch ein Lebemann – selbst wenn er das inzwischen nicht mehr so deutlich zeigt wie früher, als er mit Glitzerumhang und langer, goldenen Mähne die Bühne betrat. Als leicht schräger Twitter-Star verfolgt er heute eine zweite Karriere und erfreut das Internet mit Details über seine Darmaktivität sowie Neuigkeiten von seinen Katern George und Harry.

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