Kultur „Die Krönung der Poppea“: Unbefriedigende Inszenierung am NTM

Nero (Magnus Staveland) geht über Leichen, um Poppea (Nikola Hillebrand) an sich zu binden.
Nero (Magnus Staveland) geht über Leichen, um Poppea (Nikola Hillebrand) an sich zu binden.

Das Stück bleibt auf der Strecke. Die Neuproduktion der Oper „Die Krönung der Poppea“ von Claudio Monteverdi am Nationaltheater Mannheim ist spektakulär und wartet mit vielen massiven szenischen Mitteln auf. Doch eine verkopfte Dramaturgie und viel Regietheater-Konfektion von der Stange sorgten für eine unbefriedigende Inszenierung. Die Lichtblicke bietet die Musik.

Für die Inszenierung von Lorenzo Fioroni hat Paul Zoller die Bühne unter Wasser gesetzt: nicht Rom, Venedig, die Stadt der Uraufführung 1643, ist der Schauplatz. Spektakulär und fantastisch sind auch die Kostüme von Sabine Blickenstorfer. Sie bewegen sich zwischen Frühbarock und Moderne mit skurrilen Auswüchsen, zum Beispiel bei den Haaren. Die Bühnentechnik hat viel zu tun, fast ständig ändern sich Licht und Stimmung. Barockoper als großes theatralisches Spektakel: Das ist genau richtig. Der Regisseur hat sich auch sonst mit der Barockzeit intensiv auseinandergesetzt, mit ihrer Philosophie oder ihren naturwissenschaftlichen Innovationen in Astronomie oder Medizin. Letztere werden dann in schön scheußlichen Szenen, die das Sezieren von Leichen andeuten, besonders der von Seneca, plastisch demonstriert. Das ist dramaturgisch durchaus legitim, auch die Umstellung einzelner Szenen, die Hineinnahme neuer (etwa zum Tod von Neros Mutter Agrippina) und die Verwendung nicht zur Oper gehörender Musik ist bei der offenen Form der Barockoper möglich. Nur gerät dabei die eigentliche Geschichte zusehends aus dem Blick, wird zur Nebensache oder im Fall des Tods des Seneca zum Mummenschanz umgedeutet. Der krasseste Eingriff aber betrifft das wundervolle, wenn auch wahrscheinlich gar nicht von Monteverdi stammende Schlussduett. Der durch seine Mordtaten berühmt-berüchtigte Imperator Nero, der selbst Mutter und diverse Gattinnen auf dem Gewissen hat, geht hier sogar soweit, Amor, den Gott der Liebe, zu erdrosseln. Dabei ist es doch – siehe den Prolog – der Sinn der Oper, zu zeigen, wie Amor an einem Tag die Welt verändern kann. Lorenzo Fioroni macht hier nicht nur dem Sohn von Venus und Mars den Garaus, sondern auch Monteverdis genialer Oper. Da hilft das viele Augenpulver des Abends wenig, zumal in der drastischen Personenregie das bekannte Arsenal des gängigen Regietheaters mal wieder reproduziert wird. Die Stärken der Produktion liegen in der Musik. Zwei Gäste wurden für diese „Poppea“ verpflichtet. Der Countertenor Terry Wey singt den Ottone und belegt eindrucksvoll, warum er zu den Größen seiner Zunft gehört. Mit sehr viel Stilgefühl und erlesener Stimmkultur gibt er dem unglücklich Ex der Poppea Profil. Der in der Barockoper ebenfalls renommierte Tenor Magnus Staveland ist als Nero eher rauer Kraftmensch als „durchgeknallter“ Möchtegern-Künstler. Er singt mit einprägsamer Prägnanz. Warum aber für diese Rolle nicht auch ein Countertenor engagiert wurde, ist nicht zu verstehen. Es hätte ja nicht Franco Fagioli, Philippe Jaroussky oder Max Emanuel Cencic sein müssen. Kangmin Justin Kim, der viel in Heidelberg sang, war in der Rolle 2017 mit Gardiner auf Tournee. Vom Mannheimer Ensemble gibt Nikola Hillebrand eine musikalisch sinnliche und glänzende Poppea und Marie-Belle Sandis eine, von wenigen Übertreibungen abgesehen, ausdrucksvoll authentische Ottavia. Mit Anmut und Brillanz begeistert Amelia Scicolone als Drusilla. Auch sonst gibt es keine Ausfälle – und Fridolin Bosse ist ein vorzüglicher Knabensopran als Amor. Wie schon beim „Ulisse“ liegt die musikalischen Einstudierung in den kundigen Händen von Jörg Halubek, der mit seinem Ensemble „Il Gusto Barocco“ eine – auch dank der Einlagen von Gabrieli, Susato, Gesulado oder Praetorius – farben- und abwechslungsreiche Fassung erstellt hat. Die Vielfalt der Affekte und die packende Ausdrucksintensität der Opernmusik des späten Monteverdi kommt durch animierend lebendigen Vortrag sehr gut zur Geltung. Termine Weitere Vorstellungen am 19., 27. und 28. April sowie 5. und 6. Mai. Karten unter Telefon 0621 1680-150 oder www.nationaltheater-mannheim.de.

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