Kultur Der Unangepasste

Entdecker bleiben: Das Motto des Shirts passt auch zu Hans Weingartners Regie-Handschrift.
Entdecker bleiben: Das Motto des Shirts passt auch zu Hans Weingartners Regie-Handschrift.

Hans Weingartner ist ein Solitär in der deutschen Kinolandschaft. Seine Filme gehören keiner Strömung an, sind oft bewusst unbequem, ja aufmüpfig. Und so ist der gebürtige Österreicher, der in Deutschland Film studiert hat und in Berlin lebt, ein nahezu perfekter erster Träger des neuen Regiepreises des Festivals des deutschen Films. Am Freitag wird er auf der Ludwigshafener Parkinsel ausgezeichnet, insbesondere für seinen neuen Film „303“.

Hans Weingartner macht es sich nicht leicht. Zwischen zwei Filmen können schon mal lange Jahre liegen, auch da er sich in seine Arbeit nicht (mehr) reinreden lassen möchte. „Ich drehe lieber wenige gute Filme als viele schlechte“, erklärte er sich jüngst in einem Gespräch mit der RHEINPFALZ (wir berichteten am 19. Juli 2018). Nach seinen großen Anfangserfolgen, „Das weiße Rauschen“ (2001) und „Die fetten Jahre sind vorbei“, der 2004 im Cannes-Wettbewerb lief, standen ihm alle Türen offen. Er entschied sich dafür, eine Mediensatire zu drehen, „Free Rainer“ mit Moritz Bleibtreu. Mit dem Ergebnis waren weder er noch die Filmkritiker ganz glücklich. Er habe sich von den Produzenten unter Druck setzen lassen und den Film „verschnitten“, befand der Autorenfilmer, der neben Buch und Regie gern selbst den Schnitt verantwortet, später. Seither dreht er nur noch, was und wie es ihm selbst richtig vorkommt, mit seiner eigenen Produktionsfirma Kahuuna Films. Politisches Kino interessiert ihn vor allem. Filme, die in die Köpfe seiner Protagonisten blicken, zum Nachdenken anregen, sich einmischen in Debatten. Und oft ist der heute 47-Jährige aus dem eher beschaulichen Feldkirch in Vorarlberg seiner Zeit voraus. Schon mit seinem Debüt, durch das er Daniel Brühl zum Durchbruch verhalf: „Das weiße Rauschen“ porträtierte einen Schizophreniekranken, arbeitete die Verunsicherung des jungen Mannes eindringlich heraus. Schließlich wusste Weingartner recht genau, wovon er erzählt: In den 1990ern hatte er zunächst Neurowissenschaften studiert, bevor er zum Filmstudium an die Kunsthochschule für Medien in Köln ging. Daniel Brühl besetzte er auch in „Die fetten Jahre sind vorbei“, einem Film über junge Anarchisten, die in Villen einbrechen – nicht, um zu stehlen, sondern um die Besitzer zu verunsichern. So verrücken sie Möbel und hinterlassen Botschaften wie „Sie haben zu viel Geld. Die Erziehungsberechtigten.“ Ernst aber wird es, als ein Immobilienbesitzer, der sich als Alt-68er entpuppt, zu früh nach Hause kommt, und sie ihn entführen: ein Film über Idealismus und Ernüchterung. Nach „Free Rainer“ wurde Weingartner erneut explizit politisch – und anklagend. Zum Sammelfilm „Deutschland ’09 – 13 kurze Filme zur Lage der Nation“ steuerte er „Gefährder“ bei. Sein auf Tatsachen fußender Film porträtiert einen Hochschullehrer, der fälschlich für einen linksextremen Terroristen gehalten wird – eine Anklage gegen die Anti-Terror-Strategien des Verfassungsschutzes, sehr zugespitzt. Kompromisslos ist auch Weingartners Film „Die Summe meiner einzelnen Teile“ (2012), mit dem er wieder zu seinem Ursprungsthema zurückkehrt. Der Film schleicht sich in den Kopf des Mathematikers Martin (Peter Schneider), der nach einer psychischen Erkrankung aus der Gesellschaft herausfällt. Er verliert seine Wohnung und haust fortan im Wald, in einer selbstgebauten Hütte, bis ihn das psychiatrische System einholt. Ein faszinierender Film, der allerdings auch Geduld einfordert. Weingartner widmet sich stets Figuren, die sich nicht an Regeln halten, nicht in Muster passen. Und so wird selbst ein Liebesfilm und Roadmovie in seiner Hand ein Experiment mit nahezu philosophischen Tiefgang. Für „303“ über die Annäherung zweier Studenten auf einer gemeinsamen Reise in einem alten Wohnmobil Richtung Portugal erhält der Filmemacher nun den ersten Regiepreis des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen. Ein Film, in den Weingartner viel Herzblut steckte: „Ich konnte mir bei dieser Produktion weder teure Locations noch Hotels leisten, aber mir den Luxus der Zeit nehmen. Den Schnitt etwa als eine Reise zu begreifen, auf der der Film langsam seine Seele entfaltet“, verriet er im Juli im Interview RHEINPFALZ-Mitarbeiterin Katharina Dockhorn. Das Ergebnis hat schon die Zuschauer bei seiner Uraufführung in der Jugendsektion „Generation“ der Berlinale im Februar tief berührt. Auch die ersten Vorführungen auf der Parkinsel waren ausverkauft. Für die Preisverleihung am Freitag samt anschließender Vorführung von „303“ gibt es ebenfalls keine Karten mehr. Frei für alle zugänglich ist allerdings das anschließende Filmgespräch mit Hans Weingartner. Vielleicht spricht er da auch über seine Zukunftspläne. Im RHEINPFALZ-Interview hatte er angekündigt, auch einmal radikal die Richtung wechseln zu wollen: „Generell will ich eigentlich nicht mehr Autorenfilmer sein. Es macht mir mehr Spaß, Drehbücher für andere zu schreiben. Ebenso gern möchte ich das Buch eines anderen Autors verfilmen. Und endlich meinen Traum von einem Science-Fiction-Film verwirklichen.“

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