Kultur BASF-Konzertreihe„The Big Four“: Sängerin Marie Lys springt ein und überzeugt

Erwartet wurde ursprünglich die österreichisch-englische Koloratursopranistin Anna Prohaska. Es kam, als Einspringerin für die prominente Kollegin, die junge französisch-schweizerische Sängerin Marie Lys. Mit ihr als Solistin trat das auf barocke und Alte Musik spezialisierte Ensemble 1700 unter Leitung ihrer Gründerin, der Blockflötistin Dorothee Oberlinger, beim dritten Konzert der BASF-Galareihe „The Big Four“ im Ludwigshafener Feierabendhaus auf.

Unverändert blieb das Programm des Abends, im Einklang mit dem feststehenden dramaturgischen Plan des vierteiligen „The Big-Four“-Zyklus in der laufenden Saison. Er gilt der Gesangskunst und beleuchtet sie in vier verschiedenen Facetten. So ging es jetzt um barocke Vokalmusik. Nachdem am ersten Abend (mit Elina Garancha) der romantische (bis spätromantische) italienische Operngesang im Vordergrund gestanden hatte, und am zweiten (mit Ian Bostridge und Schuberts „Winterreise“) das romantische deutsche Kunstlied.

Außerdem hatte das Konzert ein poetisches Leitthema: die Nacht. Besungen wurden (unter anderem) Ruhe, Stille, Schlaf, Träume, Dämmerung, und als inszeniertes humoristisch-komödiantisches Gegenstück wurde die Ciaconna aus Heinrich Ignaz Franz Bibers „Serenada a cinque“ (fünfstimmige Serenade) vorgestellt.

Tönende Huldigungen an die Nacht

Die tönenden Huldigungen an die Nacht stammten von Henry Purcell (nach Shakespeares „Sommernachtstraum“), den Frühbarockmeistern Tarquinio Merula und John Dowland, von Vivaldi und Händel. Hinzu kam zu Beginn des zweiten Teils John Cages „Dream for Merce Cunningham“, eine lyrisch inspirierte frühe Komposition für den Tänzer, seinen Lebensgefährten, die noch nichts von den Ideen des späteren kühnen Experimentators und Rebellen gegen jegliche Tradition ahnen ließ.

Um das Fazit gleich vorwegzunehmen: Die Töne „aus der Ferne längst vergangner Zeiten“ („Der Fliegende Holländer“) befanden sich in überaus profunden Händen. Am Werk waren versierte Instrumentalisten und feine, sensible Stilisten. Gleich am Anfang des Programms, beim Vorspiel zu Purcells Fairy Queen, nahm der mitreißende Schwung des Vortrags die Zuhörer im Feierabendhaus unwiderstehlich gefangen. Und das setzte sich nahtlos fort.

Begeisterung, die begeistert

Gespielt wurde mit elementarer Musikbegeisterung, die sich auch auf die offenkundig begeisterten Zuhörer übertrug. Das Ensemble musizierte durchweg differenziert, mit ausgeprägtem Detailgespür, wo es darauf ankam, brillant und sehr virtuos. Im Gedächtnis besonders haften blieb Dorothee Oberlingers höchst bravouröses, mit flinken Fingern und flinker Zunge hingelegtes Solo in Vivaldis Blockflötenkonzert in c-Moll (RV 441).

Ein Kapitel für sich bildete freilich der Konzertmeister des Ensembles: der russische Violinist Dmitry Sinkovsky, eine Art Teufelsgeiger der Barockmusik mit stupender Technik und makellosem Ton. Und ein erstaunliches Multitalent, das sich als vorzüglicher Countertenor (!) produzierte in der „Schlafarie“ aus Händels Oper „Lucio Cornelio Silla“ und in Vivaldis zusammen mit Marie Lyss gesungenem Duett „Zeffiretti susurrate“ (Flüstert, ihr zarte Winde) als Zugabe. Es folgte eine weitere Zugabe: von Händel.

Schließlich die Sängerin. Sie profilierte sich als sehr kultivierte, empfindsame, stilsichere Gestalterin. Zudem imponierte die Sopranistin durch eleganten Umgang mit Verzierungen, und angenehmes Soprantimbre.

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