Meinung Online-Kolumne: Teamarbeit und ihre physikalischen Grenzen

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„Keiner von uns ist so schlau wie wir alle.“ Klingt dämlich, ist es auch. Ein belehrender Deppen-Spruch, der zur Teamarbeit motivieren soll. „Keiner von uns ist so dumm wie dieser Spruch“, möchte man da ja spontan hintendran kritzeln. Teamarbeit. Ja, ja. Das große Ding. Teamarbeit hier, Teamarbeit da, wird im Team geschafft, wird’s garantiert ein Erfolg. Ach ja? Nein, natürlich nicht. Auch und gerade im Team, mit den viel beschworenen vereinten Kräften, geht eine ganze Menge schief. Oder hat die Menschheit etwa nicht im Team dafür gesorgt, dass die Pole schmelzen? Also. Im Mannschaftssport mag das mit dem Team noch seine Berechtigung haben. Eigenbrötlerei beim Synchron-Schwimmen gibt Punktabzug. Wer alleine Prellball spielen möchte, schafft es nicht in die Bundesliga. Und: Ja, es gibt eine Prellball-Bundesliga. Mit Vierer-Teams. Wie gesagt: Gruppendynamik beim Sport – das kann gut gehen.

Maximal Zweier-Teams sind akzeptabel

Sobald es aber um geistige Leistungen geht, sind maximal Zweier-Teams akzeptabel. Lennon/McCartney haben zusammen Erstaunliches geschaffen, auch das Wissenschaftler-Ehepaar Curie. Bei beiden Paaren flogen offenbar die genialen Gedanken wie Ping-Pong-Bälle hin und her, und heraus kam auf jeden Fall Großartiges, Neues, noch nie Dagewesenes. In größeren Gruppen wäre es nie so weit gekommen, so viel ist sicher. Das sieht man bei John Lennon daran, dass seine Gattin Yoko Ono irgendwann meinte, sie müsse mit ins musikalische Team, als man sich gerade in einer experimentellen Phase befand. Und wenn man es als Experiment ansieht, dass Yoko Ono in einen Kartoffelsack stieg und aus diesem auf der Bühne herauskreischte, kann man vielleicht damit leben. Der Gesichtsausdruck des zu dem Song als Gitarristen engagierten Eric Clapton sagt etwas anderes, nämlich: Jetzt macht uns Johns bekloppte Olle auch noch den Auftritt kaputt. Wie dem auch sei, als Team funktionierten Lennon/Ono/Clapton genauso wenig wie alle anderen Teams mit mehr als zwei Leuten.

Yoko Ono und das Experiment

Ich weiß, wovon ich rede, ich war in der Oberstufe auch mal Yoko Ono. Marie und/oder Pierre Curie wären eindeutig besser gewesen. Aber ich hatte es mir nicht ausgesucht. Der Physiklehrer hatte Experimente angeordnet, und dazu wurden Dreierteams eingeteilt. Ich landete in der Gruppe mit den zwei Physik-Cracks des Kurses, und beim Verlesen der Namen guckten wir alle drei entsetzt. Bernhard und Andreas waren begeisterte Naturwissenschaftler, Jugend-forscht-Teilnehmer und zu zweit ein super Team mit besten Aussichten. Ich hatte Englisch/Deutsch/Gemeinschaftskunde als Leistungsfächer und kann bis heute nicht sagen, um was für ein Experiment es sich handelte. Die Aufgaben waren schnell verteilt: Bernhard und Andreas kümmerten sich um den Versuchsaufbau, ich sollte in einen Sack steigen und rauskrächzen. Nein, ich sollte protokollieren und nachher die Ergebnisse vortragen. Auch dabei muss ich Fehler gemacht haben. Meine Teamkollegen waren höflich und freundlich und sagten nichts, aber ich hörte sie neben mir immer wieder verzweifelt aufstöhnen während meines Vortrags. Bernhard und Andreas, es tut mir echt leid, ich hoffe, ich habe eure Karrieren nicht zerstört.

Toll, ein anderer macht’s

Im Team, so die Wunschvorstellung, befeuern sich die Mitglieder gegenseitig mit famosen Ideen, inspirieren sich, brainstormen, bis es qualmt und schaffen gemeinsam Großes. Tatsächlich ist es so wie damals mit Bernhard und Andreas. Einer oder zwei kapieren, um was es geht, und schaffen die Arbeit, einer trägt vor, der Rest, wenn es ihn gibt, überlegt schon mal, was es wohl nachher zum Mittagessen gibt. Zum Thema Teamarbeit gibt es nur einen passenden Spruch, und das ist nicht mal ein Spruch, sondern gibt die Langform der Abkürzung TEAM wider: Toll, ein anderer macht’s. Das hat inzwischen auch Yoko Ono eingesehen. Sie macht ihre bildende Kunst jetzt alleine. Ziemlich gut. Und das Kreischen hat sie auch eingestellt.

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