Zweibrücken Smartphone-Verbot und strenge Kleiderordnung an der Realschule
Sechstklässer, die beim Schulpsychologen weinen, weil sie per Whatsapp gemobbt werden. Kinder, die im Schulbus ungefragt Gewalt- und harte Pornovideos aufs Smartphone bekommen. In der Pause Schlangen vor dem Schulklo, dessen Kabinen von Schülern belegt sind, die ausgiebig Handynachrichten checken: Markus Meier möchte solche Szenarien nicht mehr hinnehmen. Der Direktor der Zweibrücker Mannlich-Realschule Plus ließ aufhorchen, als er vor den Herbstferien in einem Brief an die Eltern verkündete, dass die Schule ihre Hausordnung verschärft hat. Vor allem in puncto Kleiderordnung und Handynutzung. Zudem werden die Schüler aufgefordert, nur noch „in den dafür vorgesehenen Zeiten zur Toilette zu gehen – von gravierenden Ausnahmefällen abgesehen“.
Auf Anfrage betont Meier, dass die neuen Regeln von der Schul-Gesamtkonferenz beschlossen worden seien. Die daran teilnehmenden Schülervertreter hätten „ein konsequentes Durchgreifen aller Lehrkräfte“ gefordert. Im Elternbrief steht, dass es künftig „im Falle von unangemessener Kleidung“ auf Beschluss der Gesamtkonferenz „keine Diskussionen mehr“ geben werde, sondern eine „Untersagung der Teilnahme am betreffenden Unterrichtstag“. Verpasse ein hinausgeworfener Schüler dann eine Klassenarbeit, sei diese mit Ungenügend zu werten.
„Simpelste Aufgaben nicht mehr denkend lösen“
Davon, dass Smartphones ab sofort auch in den Pausen in der Schultasche oder gleich ganz zu Hause bleiben müssen, erhofft sich der Rektor, dass „die Toilettenzeiten deutlich reduziert werden“ und die Kinder wieder „ohne lange Wartezeiten zur Toilette gehen“ könnten.
Die Gesamtkonferenz aus Lehrern, Eltern- und Schülervertretern habe auch beschlossen, „dass wir uns als Schulgemeinschaft darüber Gedanken machen wollen, wie wir unsere Schule verändern können“, erklärt Meier. Denn manchen seiner Schützlinge diagnostiziert er eine „Bedien-mich-Mentalität“. „Tiktok-verwöhnte, Dauerbespaßung gewohnte Schülerinnen und Schüler“ zeigten „kaum noch Interesse an klassischen Unterrichtsinhalten“ und könnten „teils simpelste Aufgaben nicht mehr denkend lösen“, hat er in dem Elternbrief geschrieben. An der Mannlich-Realschule wurde jetzt ein Planungsteam aus Lehrern und Schülern ins Leben gerufen, das Wege suchen soll, wie man Schüler „wieder zukunftsfitter“ machen und zu problemlösendem Denken, mehr Selbstvertrauen und Teamfähigkeit ermuntern könne.
Von der RHEINPFALZ gefragt, was unter unangemessener Kleidung zu verstehen sei, sagt der Schulleiter, dass die Garderobe „nicht schmutzig, aufreizend oder mit unangemessenen Text-Aufdrucken“ versehen sein sollte. „Wenn ich im Klassenraum Konflikte lösen muss, weil sexuell herabwürdigende Äußerungen wegen der knappen Bekleidung von Schülerinnen laut werden, dann stimmt doch was nicht.“ Ist „bauchfrei“ bereits unangemessen? „Ich stell’ mich nicht mit dem Lineal hin und messe die T-Shirt-Länge“, sagt Meier, dass es ihm vielmehr um ein „insgesamt ordentliches Erscheinungsbild“ der betreffenden Person gehe. „Meist haben wir damit jetzt keine Probleme mehr“, spricht der Rektor von lediglich „einer einzigen Klasse, in der die Sache mit den Leggings anscheinend immer noch nicht richtig angekommen ist“.
Schneller strafbar gemacht als gedacht
Mobiltelefone seien in der Schule schon seit Jahren tabu. „Hat sich jemand daran nicht gehalten, wurde das Handy früher eine Zeit lang einkassiert“, schildert der Rektor, dass man heute anders vorgehe. „Die Geräte sind Eigentum der Schüler. Das kann man nicht einfach beschlagnahmen. Darauf hat uns auch die Polizei hingewiesen. Jetzt haben wir das Mitführen ,am Mann’ grundsätzlich verboten.“ Markus Meier meint, er „hätte überhaupt kein Problem damit, wenn das Handy auf die reine Telefonierfunktion beschränkt wäre. Wenn man zum Beispiel die Eltern anruft, weil der Bus weggeblieben ist. Aber heute hat jedes Kind ein Smartphone mit Internet und sozialen Medien – und wird mit dem unbegrenzten Zugang selbst zu abseitigsten Inhalten völlig allein gelassen.“ Zurzeit kläre eine Polizeibeamtin die Siebtklässer an der Mannlich-Realschule Plus über mögliche strafrechtliche Folgen von missbräuchlichem Handy-Konsum auf. „Viele Schüler wissen gar nicht, dass sie sich schon strafbar machen können, wenn sie ein zugeschicktes Pornovideo annehmen“, sagt der Rektor. Weil viele Eltern keine Ahnung davon hätten, was Schüler heute in den Grauzonen der Smartphone-Nutzung alles anstellen können, hat die Schulleitung Infobroschüren bestellt, die demnächst an die Haushalte gehen.
Die Regelverschärfungen an der Mannlich-Realschule gelten selbstredend nicht am Hofenfels-Gymnasium, mit dem man eine gemeinsame Orientierungsstufe unterhält. Schüler pendeln zeitweilig zwischen den beiden Einrichtungen. „Das Gymnasium überwacht die Einhaltung seiner Vorschriften in seinen Räumen, wir entscheiden über unsere Regeln hier bei uns“, sieht Markus Meier kein Problem.
„Der Staat hat eine Fürsorgepflicht“
Schlicht als bedauerliche Erscheinungsform der heutigen Zeit will der Schulleiter den allzu unbedarften Umgang mit Smartphones nicht akzeptieren. „Hier sehe ich neben den Eltern auch den Staat am Zug, der eine Fürsorgepflicht hat. Auch im Straßenverkehr gibt es Regeln, an die man sich zu halten hat. Aber gegen Gewalt, Pornos und all den anderen Müll, mit dem Kinder heute am Smartphone konfrontiert werden, unternimmt keiner etwas.“
Die Arbeit des neuen Planungsteams, das über den künftigen zwischenmenschlichen Umgang an der Mannlich-Realschule nachdenken soll, wird offenbar auch am Bildungsministerium mit Interesse verfolgt. Nach Markus Meiers Worten hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) „bereits einen zweiten Studientag im laufenden Schuljahr zugesagt“. Das ist unterrichtsfreie Zeit, in der das Gremium weiter an der Hausordnung feilen kann.