Zweibrücken Schlangenöl und Wagenräder

Hätten sie in einem Club im Mittelwesten der USA gespielt, wäre die Bude vielleicht voll gewesen. Aber am Samstagabend im Zweibrücker „Erdgeschoss“ mussten sich die Schweizer Countryrocker Slam and Howie and the Reserve Men mit zehn Zuschauern begnügen. Vier, wenn man den Barkeeper, den Mann am Mischpult, den an der Kasse und die drei anderen abzieht, die dort am Arbeiten waren.

„Wir ham als die beste Musik, und es kommt gar niemand. Aber ich hab′ Spaß dran“, nahm es Peter Rohr, Besitzer des „Sutter“, zu dem das „Erdgeschoss“ gehört, zumindest nach außen hin gelassen. Es mag am Ostersamstag gelegen haben. Es mag aber auch sein, dass Countryrock in Zweibrücken nicht allzu viele Anhänger hat. Wobei es Countryrock vielleicht nicht mal trifft: Slam and Howie covern AC/DC, ZZ Top und die Schweizer Hardrocker Krokus und spielen auf ihrer zweiten CD Punk-Songs von den Ramones und Social Distortion. Wenn sie ihre Gretsch-Gitarren – die etwas dickbauchigen E-Gitarren mit Schalllöchern – umgeschnallt haben, werden sie beinahe zur Rockabilly-Band. Und hin und wieder klingt es, als hätte jemand in den 50er Jahren einen Country-Sender am Radio eingestellt.Americana, Alternative Country oder Roots Rock nennt man das, und in der Mitte des Sets spielen die fünf Schweizer auch einen Song, den eine der Gallionsfiguren des Genres geschrieben hat: „Johnny Come Lately“ von Steve Earle, veröffentlicht auf dessen Meilenstein „Copperhead Road“ 1988 und damals aufgenommen mit den Pogues, eben jenen irischen Folk-Punkern, die mit Irish Folk das machen, was Slam and Howie seit 2006 mit Country tun. Anfangs noch deutlicher vom Punk beeinflusst, lassen sie es mittlerweile etwas ruhiger angehen. Ihre neue CD „Sons of Ancient Times“ erschien Anfang 2013, aufgenommen nach einem doppelten Besetzungswechsel vor zwei Jahren. Da posieren sie schon mit Banjo und Mandoline auf dem Bandfoto. Gegen die tauschen sie immer wieder ihre E-Gitarren ein. Am schönsten klingen sie beim besten Stück des Abends, ebenfalls eine Coverversion, zum Ende des knapp anderthalbstündigen Konzerts: „Wagon Wheel“ von Old Crow Medicine Show. Da stehen die fünf wieder alle ganz vorne, haben die elektrischen Gitarren weggepackt und lassen das Schlagzeug links liegen. Drummer Bennet spielt stattdessen auf dem Washboard, einem metallenen Waschbrett, das er vor den Bauch geschnallt hat und über dessen geriffelte Oberfläche er mit zwei Löffeln fährt. Gitarrist Ross, der mit John-Deere-Baseballmütze, kariertem Hemd und Latzhosen aussieht, als sei er grad vom Ernten gekommen, spielt Banjo. Der bis zur rechten Hand tätowierte Howie hat die Gitarre beiseite gestellt und die Mandoline geholt. Slam – Frontmann, Sänger, dritter Gitarrist und beim „Shotgun Rag“ auch mit umgeschnallter Mundharmonika – steht mit der Akkustikgitarre da. Dazu kommt Basser Drake, der mit schwarzen Anzug samt schwarzem Hut an einen fahrenden Quacksalber aus einem Lucky-Luke-Comic erinnert, der aus seinem Planwagen allerlei Salben, Tinkturen und angebliche Wundermittel verkauft – Snake Oil, Schlangenöl, nennt man das in den USA. Alle fünf teilen sich den Harmoniegesang im Refrain, und man bekommt eine Ahnung, wie das wohl gewesen wäre: So ein schönes Stück wie „Wagon Wheel“ zum Ausklang, zum Nachsummen auf dem Heimweg, nach anderthalb Stunden Country, Rock, Bluegrass und Rockabilly in einem ordentlich vollen Saal. Das nächste Mal!

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