Dröhnend Laut und Grausam kalt Reportage: Sicherheitsgurt sitzt, Frisur nicht mehr (mit Bildergalerie)

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Der Betrieb in der ehemaligen Ankunftshalle des Flughafens erinnert an alte Zeiten. Nur werden keine Koffer vom Band gezogen, sondern prall gefüllte Rucksäcke werden geschnappt, mit denen es zum Rollfeld geht und dann in die Luft. Auch die Bundeswehr muss die derzeitige Situation annehmen und ihr Handeln anpassen. Die Soldaten müssen schließlich allzeit zum Einsatz bereit und entsprechend trainiert sein. Deshalb muss auch das Fallschirmspringen trotz Corona weiter regelmäßig geübt werden, damit die Handgriffe sitzen.Immer wieder schweben Soldaten an ihren Schirmen auf die Grünfläche am Terminal zu. Alle treffen die vorgegebene Landezone um eine Wetterfahne herum. So soll es sein: Möglichst alle sollen am selben Ort landen, um im Fall der Fälle sofort in den Einsatz gehen zu können. Nach dem schönsten Teil der Übung, dem Sprung, kommt der unbeliebteste: Das Packen des Schirms. Gut zwanzig Minuten braucht ein geübter Soldat dafür. Er muss die meterlangen Seile, die Gurte und den Schirm nach einem festgelegten System in eine kleine Tasche packen.

Wenn der Fallschirmjäger seinen Schirm gepackt hat und auf den Flieger für den nächsten Sprung wartet, kommt ein Offizier und wertet den vergangenen Sprung aus.

Die ersten Sprünge erfolgen aus einem Flugzeug mit der Bezeichnung Skytruck M28. Nach mehreren Durchgängen wird die Übung aus einem Airbus A400M fortgesetzt.

Alle Springer an diesem Morgen haben Erfahrung. Aber wer mal vier oder fünf Monate nicht Fahrrad gefahren ist, der weiß: Man hat’s zwar nicht verlernt, die Routine und das Gefühl fürs Gefährt sind weg. Deshalb ist auch für Fallschirmspringer wichtig: immer in Übung bleiben.

Jetzt geht es in den Airbus. Der Flieger ist zwar modern, aber nur im Cockpit. Dahinter gibt’s keine Passagiersitze, sondern einen Frachtraum mit spartanischen Sitzen für die Springer an den Seitenwänden.

Zwei Gruppen mit jeweils höchstens zehn Springern – wegen Corona – dürfen einsteigen. Die Hygienemaßnahmen sind mit dem Robert-Koch-Institut abgestimmt. Die meisten Soldaten tragen dieses Mal nicht die Einsatzhelme der Bundeswehr, sondern private mit Vollvisier.

Auch Spezialkräfte üben mit, darunter Späher (Vorauskundschafter), deren Identität die Bundeswehr schützt, aber in dieser Woche muss sowieso jeder einen Mundschutz tragen.

30 Minuten dauert es, bis die Piloten den Computer mit allen Daten gefüttert haben, die Checkliste abgearbeitet ist und der Flieger an der Startposition steht. Von null auf 160 Stundenkilometer in nur drei Sekunden, die Beschleunigung des Airbus mit seinen vier Propellern ist enorm. 11 000 machen’s möglich.

Die zweieinhalb Kilometer lange Startbahn in Zweibrücken wird noch nicht mal zur Hälfte gebraucht, nach tausend Metern hebt der 80 Tonnen schwere Airbus ab. Auf direktem Weg steigt er auf die heutige „Reiseflughöhe“ von 3300 Metern.

Die Soldaten haben die Augen geschlossen oder sitzen entspannt da. Es wirkt aber nur locker, denn jeder hat eine andere Art, sich zu konzentrieren und auf den Stress des Sprungs vorzubereiten. Tatsächlich: Zehn Minuten vor dem Ausstieg geht eine rote Leuchte im Frachtraum an: Mit der Ruhe ist es vorbei.

Der Airbus hat nun auf Automatik geschaltet und fliegt ein zuvor in der Einsatzbesprechung festgelegte Route. Der jeweilige Gruppenführer tritt in die Mitte. Der Lademeister steht an der Seite, er ist per Funk mit den Piloten verbunden. Per Handzeichen geben diese beiden die Zeit bis zum Absprung und die Windstärke am Zielort weiter. Zwei Minuten vor dem Sprung steht die Gruppe bereit. Jeder Soldat prüft noch mal die wichtigsten Teile der Ausrüstung und schließt sein Visier.

Dann öffnet sich die Heckrampe. Der Innenraum wird blendend hell. Wind schlägt in die Maschine, die Motoren dröhnen: Es ist jetzt sehr laut – und kalt: minus 20 Grad. Mein Sicherheitsgurt sitzt, die Frisur nicht mehr. Eine dichte Wolkendecke versperrt den Blick in die Tiefe.

In einer Reihe hintereinander stehen die ersten sieben Freifaller am Rand der Rampe. Dann das Handzeichen zum Ausstieg: Im Sekundentakt lässt sich jeder ohne zu überlegen aus dem Flugzeug fallen. Ganz ehrlich: Bei der Kälte und dem Krach würde man den eisernen Kühlschrank am liebsten sofort und auf demselben Weg wie die Soldaten verlassen. Doch auf meinem Rücken sitzt kein Rucksack mit Fallschirm. Also bleibe ich drin.

Der Airbus fliegt ein paar Schleifen, damit er schnell wieder zur selben Absetzposition wie eben zurückkommt. Gleicher Ablauf bei der zweiten Sprungeinheit. Nach zehn Minuten haben auch die Späher den Flieger verlassen und gleiten mit Tempo 200 in Richtung Zweibrücker Flughafen.

Die Rampe schließt sich wieder, warm wird es nicht, das ist jetzt aber auch nebensächlich, denn es beginnt ein rasanter Achterbahnflug mit Sinkflug und engen Kurven. Mit so einem riesigen Flugkörper: ein einmaliges Gefühl. Es ist wichtig, dass die Piloten die Sprungtruppe schnell wieder finden und sie umkreisen. Denn die Springer tragen keine Transponder, sodass sie fürs Radar nicht sichtbar sind. Damit kein fremdes Flugzeug den gesperrten Flugraum trotzdem durchfliegt, sichert der Airbus den Bereich ab.

Die Landung ist hart und genauso abrupt wie der Start. Auch das ist Teil der Übung, denn am Einsatzort in Krisengebieten gibt es oft auch nur wenig Platz zum Starten und Landen, das probt man also gleich mal mit. Jetzt geht es wieder zum Packen und anschließend zur Nachbesprechung. In zwei Wochen folgt eine weitere Sprungübung am Zweibrücker Himmel.

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