Saarbrücken Grandioses Konzert von Anny Hwang und Freunden im Saarrondo

Aus dem Konzertsaal wird eine Jazz-Longe.
Aus dem Konzertsaal wird eine Jazz-Longe.

Sie überwindet sämtliche Genre-Eingrenzungen zaubert auf den Tasten und zieht die Besucher in ihren Bann: Anny Hwang ist eine außergewöhnliche Künstlerin. Die international bekannte Pianistin fordert die Zuhörer sowohl intellektuell, als auch musikalisch. Am Sonntagnachmittag hat sie im Saarbrücker Saarrondo ihre Freunde versammelt. Das Crossover-Konzert ist grandios.

Ihre Stimme ist voller Energie und Ausdruck. Nein, es ist nicht Anny Hwang, die da vom Leben singt. Es ist die in der Ukraine geborene Sängerin Ela, die mit dem Trio Elaiza durch den Eurovision Song Contest (ESC) 2014 bekannt wurde. Sie spielt barfuß am Klavier.

„Musik ist doch gleich Begegnung“, meint die Sängerin, die wie Hwang aus dem Saarland nach Berlin ging . Ihre Mutter war Opernsängerin, „das hat mich sehr geprägt“, verrät sie Hwang in einem kurzen Gespräch. „Liebe und Krieg“ ist zutiefst beeindruckend und wirbelt Gedanken von Verlust, Hoffen und Sehnsüchten auf, die wohl jeder hat.

Kunst und Natur treffen aufeinander

Ihre Musik schafft berührende Momente, die durch ihre Stimme lebendig werden. Während sie singt, steigt Nebel aus einem riesigen Ast auf, der inmitten des Saales seinen Platz gefunden hat. Seine Rinde ist fast schwarz, und seine Mitte gibt den Blick auf ein Röhrchen frei. In dem schimmert eine bläuliche Substanz. Die Erfurter Künstlerin Rosmarie Weinlich hat die Kunstinstallation entworfen. „Atem der Wildnis“ heißt sie. Immer wieder wird Nebel durchs Röhrchen gepresst.

Diese Fusion von Natur und menschgemachter Technik ist auch die zentrale Frage, die Weinlich mit ihrer Kunst festhalten möchte. „Wie viel Natur gibt es noch in der Welt?“, erklärt die Künstlerin. An diesem Abend ist man tatsächlich Teil der Kunst. Sie ist um einen herum, sie nistet sich in die Ohren und durchdringt die alle Sinne.

Die sind von den sozialen Medien nur allzu oft überfordert, meint Anny Hwang. In ihrem Stück „Da“, das sie solo auf ihrem Konzertflügel spielt, geht es genau darum. Dass ihre Gäste und die Musiker präsent und empfänglich sind – das wünscht sie sich für diesen Abend. Ganz nebenbei hat sie das Stück auch um die Noten D und A geschrieben.

Die Töne sind gleitend, werden oft von treibenden, fordernden Motiven unterbrochen, und transportieren eine grandiose Virtuosität zu den Zuhörern. Wenn Hwang in ruhigen Sequenzen verharrt, ist das wie ein friedliches Stück vom Paradies.

Schwerelosigkeit und Leichtigkeit

Es ist ein Gefühl, das man während des gesamten Konzerts über hat: Da ist diese Schwerelosigkeit, diese Leichtigkeit und diese ungezügelte Freude, die die Musiker ausstrahlen. All das überträgt sich wie von selbst auf die Zuhörer des Konzerts, das in dieser Form seine Premiere im Saarland feiert.

„Wir sind das erste Mal so richtig im Saarland. Angefangen hat alles bei mir zuhause in Berlin“, erzählt Anny Hwang den rund 200 Besuchern. Die in Dudweiler aufgewachsene Pianistin hatte vor sechs Jahren mit Freunden musiziert.

Hwang vermischt Klassik mit Jazz und Pop. Vertreter dieser Genres bekommen alle ihre Momente. Obwohl die meist nur zwei, drei Stücke spielen, wirkt der Abend zu keiner Zeit abgehackt. Im Gegenteil: Die verschiedenen Genres fließen ineinander über, ergänzen sich und zehren von der anderen, fremden Schönheit.

Eine Komposition der Schönheit

Der Abend ist eine einzige Komposition der Schönheit. Da sind wahnsinnig rasante, fast überdrehte Passagen in „Jet Whistle“, die einen ins Stück ziehen und die nach immer schnelleren Tönen verlangen. Cellist Teodor Rusu schafft mit Grigory Mordashov ein Stück, das auf positive Art schwindlig macht.

Vor ihren Auftritten spricht Anny Hwang noch kurz mit den Musikern. Es sind keine Interviews, eher intim-vertraute Gespräche. Von der Violinistin Lada Bronina will sie wissen, was sie privat hört: Britney Spears oder Charts. „Das sind die dunklen Geheimnisse der Klassik“, meint Hwang augenzwinkernd.

Die Musiker eröffnen dem Publikum beim Konzert einen ganzen Kosmos. Einen Kosmos, der frei ist von jeglichen Grenzen oder Schubladendenken. Denn alle musikalischen Momente haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind wunderschön und sie treffen einen direkt ins Herz. Vorausgesetzt, man öffnet es und entfernt sich von den starren Zuordnungen. Wenn man das tut, erkennt man: Jedes Genre hat seinen ganz eigenen Zauber.

Aus dem Konzertsaal wird eine Jazz-Lounge

Aus dem Konzertsaal wird eine Jazz-Lounge. Bei „Groovin’ High“ werden die eben noch in der Luft hängenden klassischen Töne ad absurdum geführt, beim Stück „Impressions“ entsteht eine wahre Flut von Eindrücken. Das Stück wird immer schneller; beinahe beschwörend ergießt es sich in einem energetischen Wirbel.

Das Crossover-Konzert ist auf so vielen Ebenen bedeutsam. Es ist ein leidenschaftliches, wildes Spiel zwischen Sanftheit und Rasanz, zwischen Freiheit und technischer Perfektion. Der Pianist Francesco Tristano malträtiert die Tasten und spinnt derart rasant-leidenschaftliche Passagen, dass einem der Atem stockt. Manchmal sind die Töne wie ein plötzlich zuschnappendes Tier.

Zwölf Musiker haben jegliche Genregrenzen aufgeweicht, haben Klassik nahbar gemacht, und Klänge wie aus einem Traum gesponnen.

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