Zweibrücken „Es ist nicht wichtig, was du betrachtest, sondern was du siehst“

Johanna Wittmann (rechts) von der evangelischen Akademie im Saarland und der Zweibrücker Dekan Peter Butz (links) rezitierten in
Johanna Wittmann (rechts) von der evangelischen Akademie im Saarland und der Zweibrücker Dekan Peter Butz (links) rezitierten in einer szenischen Lesung Texte.

Begegnungen zwischen Kunst, Musik und Texten konnten die etwa 70 Besucher der Karlskirche am Samstagnachmittag erleben: Johanna Wittmann von der evangelischen Akademie im Saarland und der Zweibrücker Dekan Peter Butz rezitierten in einer szenischen Lesung Texte, während Elena und Vladimir Gerasimov mit ihren Kindern Nicole (12) und Maikel (6) den musikalischen Teil des Programms gestalteten. Bilder und Skulpturen von Hannelore Kleemann sowie Fotos von Hans-Hermann Bendzulla vervollständigten das künstlerische Konzept.

Besucher saßen in Gruppen an Tischen, an den Seiten gab es Bilder, Skulpturen und Wandtafeln mit Fotografien, vorne links stand ein Konzertflügel, und hinten hatten Schülerinnen und Schüler der zwölften Klasse des Helmholtz Gymnasiums ein Büffet mit Kaffee und selbst gebackenem Kuchen aufgebaut. „Es ist eine wunderbare Sache, wenn Menschen mit den verschiedensten Begabungen zusammenkommen und eine dritte Sache machen“ – dieses Zitat der bekannte Theaterregisseurin Andrea Breth war das Motto des Nachmittags. Die musikalischen Beiträge steuerte die Familie Gerasimov bei. Mit ihrer großen Opernstimme begeisterte Elena Gerasimova in der anrührenden Arie der Lauretta „O mio babbino caro“ aus Giacomo Puccinis Oper „Gianni Schicchi“. Nach einem zart-verhaltenem Einsatz blühte ihre Stimme kraftvoll auf, steigerte sich in großen melodischen Bögen zu einem mitreißenden emotionalen Ausbruch, behielt dabei aber ihren einfachen, innig-gefühlvollen Ausdruck bei. Im zartesten Pianissimo klang ihre Bitte um Hilfe und Mitgefühl bei ihrem Liebeskummer aus. Sehr anrührend gestaltete die lyrische Sopranistin auch das Wiegenlied aus George Gershwins Oper „Porgy and Bess“, wo sie vor allem auch mit ihrer mühelos schwebenden und doch vollen Höhe überzeugen konnte. Laszive Erotik versprühte dagegen ihre Interpretation der bekannten Barcarole aus Jacques Offenbachs phantastischer Oper „Hoffmanns Erzählungen“. Zur Klavierbegleitung ihres Mannes Vladimir Gerasimov entwickelte sich ein schönes, ausgewogenes Klangbild mit weichen, lang gezogenen Melodiebögen und geschmeidig-wiegenden Rhythmen. Zusammen mit ihrem Mann überzeugte sie auch als Zerlina im Duett mit Don Giovannis „La ci daram la mano“ aus Wolfgang Amadeus Mozarts gleichnamiger Oper. Mit einer ungemein ausdrucksstarken Textausdeutung und machtvoll flutender, samtig timbrierter Bassstimme faszinierte Vladimir Gerasimov in der „Elegie“ des französischen Komponisten Jules Massenet. Aber auch in der Welt der leichten Muse und der Folklore war das Künstlerpaar zu Hause, wie sie in Duetten aus Emmerich Kalmans „Csardasfürstin“ und Franz Lehars „Die Lustige Witwe“, aber auch den Hits „O sole mio“ und „Funiculi funicula“ eindrucksvoll unter Beweis stellten. „Es ist nicht wichtig, was du betrachtest, sondern was du siehst“ - mit diesem Appell des Schriftstellers Henry David Thoreau für eine bewusste Wahrnehmung wandte sich Johanna Wittmann in dem abwechslungsreichen Programm an die Gäste. Probleme der Dritten Welt oder die Frage nach Heimat – mit den Worten von Hilde Domin gab die Rezitatorin viele Denkanstöße, sich mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen zu beschäftigen. Sie setzte aber auch Zeichen wider das Vergessen, ebenso wie Fotograf Hans-Hermann Bendzulla mit einem Bild des zerbombten Zweibrücken aus dem Jahr 1945 direkt in der Mitte des Raumes, das von Plastiken und Skulpturen Hannelore Kleemanns in Form von Fundstücken, mit Rost und Zerstörungsspuren, umgeben war. Andere Arbeiten der Künstlerin zeigten Gesichter in Keramik auf Stelen oder hineinmontiert in Bilder aus atmosphärischem Blau – Begegnungen fanden so in und zwischen den Künsten statt, vor allem aber zwischen den Menschen.

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