Zweibrücken Die Protestanten stürzen sich in die Arbeit

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In der Ausstellung „Neuer Himmel, neue Erde“, die bis 14. Mai im Zweibrücker Stadtmuseum zu sehen ist, geht es um Martin Luther, die Reformation und die Folgen für unsere Region. In unserer Serie stellen wir fünf Bereiche vor, die es ohne Luther nicht gegeben hätte. Heute: Wie der Protestantismus mit seinen Verordnungen der Vorläufer des modernen Staates wurde.

Seit 1555 ist der Landesherr – hier: der Herzog von Pfalz-Zweibrücken, nicht mehr der Bischof von Speyer – praktisch das Oberhaupt der Kirche in seinem Gebiet. Er konnte nicht nur bestimmen, welche Religion in seinem Herrschaftsbereich alle Untertanen anzunehmen und zu befolgen hatten, er konnte auch bis ins Detail regeln, wie sich die Grundwerte des Glaubens im alltäglichen Leben niederzuschlagen hatten. „Die weltlichen Fürsten haben die Kirche aufgebaut“, erläutert Charlotte Glück, die Leiterin des Zweibrücker Stadtmuseums. Dazu haben sie Verordnungen erlassen. Das fängt beim „Herrn im Haus“ (pater familias) an, denn der Ausdruck hat hier seinen Ursprung. Der Mann in der Familie wurde zum Verantwortlichen erklärt, zum Vertreter Gottes, zum Oberhaupt der Familie, der dafür zu sorgen hatte, dass alles mit christlichen und sittlichen Dingen zuging: Das betraf nicht nur seine Ehefrau und seine Kinder, sondern auch Verwandte, die dort lebten, ebenso die Dienstboten, Knechte und Gesellen. Wer sich gegen den Hausherrn stellte, beging eine Sünde, deshalb widersprach ihm niemand. Dieser Patriarchalismus ist oft bis heute noch prägend. Den Landesherren ging es dabei wahrscheinlich gar nicht in erster Linie um die Religion, sondern darum, dass sie nun plötzlich mehr Macht hatten und das auch ausnutzten. Sie konnten die bisherigen Strukturen sprengen, etwa die Klöster auflösen (wie das Kloster Hornbach) und deren Besitz an sich nehmen, sie konnten jetzt den Zehnten von den Bauern eintreiben (die Kirchensteuer, die vorher die katholische Kirche kassiert hatte). Sie kosteten den neuen Machtgewinn aus, den ihnen der neue Glaube bescherte. Ein Teil der neuen Regeln hatte damit zu tun, dass die Protestanten eher bescheiden waren – wogegen die Katholiken gerne ihre Pracht zur Schau stellten. „Der Protestantismus setzte auf einfache klare Formen“, erklärte Glück einige der Abbildungen in der Ausstellung. Andere Regeln hatten damit zu tun, dass man nun nicht mehr durch fromme Gedanken, sondern auch die körperliche Arbeit zur Ehre Gottes beitrug. Die Arbeit wurde aufgewertet – was zur Folge hatte, dass die Menschen nun nach ihrer Arbeitsleistung bewertet wurden: Früher bei den Katholiken konnte auch ein Bettler in den Himmel kommen, wenn er eifrig genug betete, mehr noch als ein reicher Mann („Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein reicher Mann in dem Himmel kommt“). Das war bei den Protestanten nicht mehr so. Wer viel arbeitete, galt als christlich. Nun waren der Bauer und der Handwerker, die ihre Arbeit gut machten, auch gottgefällig, auch wenn sie wenig beteten. Also haben die Protestanten sich in die Arbeit gestürzt. Weil sie viel arbeiteten, haben sie auch viel Geld verdient. Insofern legte der Protestantismus auch den Grundstein zum Kapitalismus. An den Pranger gestellt wurden Luxus und Verschwendung, wildes Feiern, Trunksucht und auch das Glücksspiel. Selbst wenn Protestanten reich waren, durften sie ihren Reichtum nicht nach außen zeigen, das war verpönt. „Man durfte sich nicht wie der Bischof von Limburg heute ein großes Haus bauen. Die wahren Protestanten sind nach außen hin bescheiden. Sie tragen ein schwarzes ungemustertes Kleid“, erläuterte Charlotte Glück. Teure Kleider zu tragen oder sich große Häuser zu bauen, kam nicht in Frage. Die Reichen steckten ihr Geld wieder in den Betrieb. Das war auch der Beginn der großen Familienfirmen. Was sich auch bis heute auswirkt. Andererseits galt aber auch: Wer keiner regelmäßigen Arbeit nachging oder zwischendurch faulenzte, galt als unchristlich. Wer nicht arbeiten konnte – Arme, Alte, Kranke, Waisenkinder etwa – wurde jedoch nicht verstoßen: Almosenverordnungen regelten, was ihnen zustand – das waren die Vorläufer von Sozialhilfe und Hartz IV, wenn man so will. Ausstellung „Neuer Himmel, neue Erde“ zeigt etwa 150 Exponate zur Reformation in der Pfalz. Sie ist bis 14. Mai im Zweibrücker Stadtmuseum, Herzogstraße 9, zu sehen, Öffnungszeiten: Dienstag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 14 bis 18 Uhr. Eintritt; sechs Euro, ermäßigt drei Euro, unter 16 Jahre Eintritt frei. Begleitheft: sechs Euro. Die Serie —Folge eins (die frühe Kirchenordnung fürs Herzogtum Pfalz-Zweibrücken) ist am 21. April erschienen. —Folge zwei (Bildung für alle im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken) ist am 26. April erschienen.

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