Kolumne Der Sepp Vom Hallplatz: Der Name der Lehrerin – und schon wusste jeder Bescheid

Die katholische Heilig-Kreuz-Kirche war im Krieg zerstört worden.
Die katholische Heilig-Kreuz-Kirche war im Krieg zerstört worden.

„Do hannich mich ned geerrd! Ich hammer doch glei gedenkd, dass der vun de annere war, wie ich immer de Name vum Fräulein Buchert gelees hann!“ Der Fahrradfahrer hatte auf dem Exe plötzlich scharf gebremst und ohne weitere Vorwarnung den Sepp gefragt: „Saa mol, bischd du brodeschdandisch?“ Es war so wie vermutet: Der Hinweis „uffs Fräulein Buchert vum Fasnarieberch“ – wobei der Frager wusste, dass diese protestantisch war – hatte den Leser stutzig werden lassen.

Schnell war man sich einig: Gottseidank ist diese scharfe Glaubenstrennung, die noch in der Alleeschule für den Religionsunterricht den wöchentlichen Klassenwechsel erforderlich machte, mit dem Ende der Konfessionsschule vorbei. Dabei hatten die Kirchen in den Zeiten der strengen Trennung in der Nachkriegszeit noch „richtige“ Gotteshäuser: Sowohl die katholische Heilig-Kreuz-Kirche als auch die protestantische Alexanderskirche waren zerstört.

Die einen feierten ihren Gottesdienst in einer ausgedienten Baracke neben dem Pfarrhaus, auf dem heute ein zentraler Parkplatz ist. Die „Brodeschdohle“, wie die Schüler gerne hänselten, waren aus der Stadtmitte in eine umgebaute Schreinerei gegenüber der ebenfalls zerstörten Seidenfabrik gezogen. Hier war auch die Kirchenschaffnei angesiedelt, wo der „Stift“ wenige Jahre später die Drucksachen bei Baldur Hallanzy oder Karl Schmelzer ablieferte. Wobei beim Heimgehen stets mit Blick zur ehemaligen Kirche der Satz fiel: „Do driwwe bin ich noch konfirmiert wohr!“

Die Johann-Schwebel-Kirche wurde ein Jahrzehnt lang genutzt, bis es wieder in die Alexanderskirche zurückging. Natürlich hätte man als neugieriger Junge gerne mal „bei de annere geschbidzeld“, aber man blieb stets vor der vom Schulweg her vertrauten Baracke. Wie es der „Zufall“ wollte, war man dann aber in der Nähe, wenn die Kommunionkinder vom Pfarrhaus in die Kirche zogen, und erst recht, wenn die Fronleichnamsprozession anstand. Dass eine Prozession sogar um den Rosengarten führte, auf dem damals noch vorhandenen Fahrweg bis zu den Eisweihern (das Gelände wurde später beim Rosengarten dazugenommen) ist noch nach Jahrzehnten in bester Erinnerung. „E wunnerbarer Altar had’s do gebb“, wusste hinterher der begeisterte protestantische Beobachter zu berichten.

Noch lange aber blieb man unter sich. Zwar grüßte man Pfarrer Ernst Stark, wenn er mit seinem Fahrrad zu seinen Terminen unterwegs war, traute sich aber nicht zu einem Besuch „bei de annere Fakultät“, wie Vater immer sagte. Umgekehrt war es vermutlich ebenso. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis es in der Stadt einen ökumenischen Gesprächskreis der beiden Kirchen gab und Dekan Martin Lugenbiehl und Stadtpfarrer Joseph Becker nach einer Zusammenkunft aufatmend feststellten: „Mir hann nix meh, womer driwwer schdreide kennde! Mir sinn uns immer eenisch.“

Vermutlich war dies schon der fruchtbare Boden, auf dem 2002 erstmals ein besonderes Pflänzchen wuchs, das man sich Jahrzehnte zuvor nicht hätte träumen lassen: „Ökumenischer Stadtkirchentag – Brücken bauen zwischen den Menschen“. Gemeinsam luden die evangelischen, die katholischen, die evangelisch-methodistische Kirchengemeinden und die Mennonitengemeinde zum Mitmachen ein. Gemeinsam traf man sich zum eindrucksvollen Festgottesdienst mitten in der Stadt, auf dem Schlossplatz. Wenn nun in schwierigen Corona-Zeiten in den Kirchengemeinden neue Möglichkeiten der Belebung diskutiert werden, dann ist es gewiss gut zu wissen, dass das Miteinander Vorteile hat. Der gleichen Meinung war auch der fragende Freund.

Auch die protestantische Alexanderskirche war Bomben zum Opfer gefallen.
Auch die protestantische Alexanderskirche war Bomben zum Opfer gefallen.
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