Zweibrücken Ausflug in die russische Seele

Die sechs Herren aus St. Petersburg sind in unserer Region keine Unbekannten mehr. Denn das Vokalensemble Anima erfreute schon mehrmals das Publikum von Zweibrücken bis Pirmasens. Warum am Sonntag gerade einmal zehn Besucher den Weg in die Ernstweiler Christuskirche geschafft hatten, ist daher verwunderlich.

Dennoch absolvierte das A-Capella-Sextett tapfer seinen Auftritt und bewies, warum es als Geheimtipp unter den Musikliebhabern gilt. Die Gesangsprofis stammen aus der renommierten Musikwerkstatt des St. Petersburger Konservatoriums und unternehmen seit mehr als zwei Jahrzehnten regelmäßig Tourneen. Das künstlerische Motto der Gruppe besteht darin, ein möglichst umfassendes Repertoire an Vokalmusik zu bieten, angefangen von gregorianischen Chorälen über traditionelle geistliche und weltliche russische Musik. Es reicht über Vokalwerke verschiedener europäischer Komponisten vom 13. bis 20. Jahrhundert und nimmt sich sogar Jazzkompositionen an. Dabei beruht die Auswahl der Werke bestimmter Epochen nicht so sehr auf ihrer Neuheit oder Komplexität, als vielmehr auf ihrem künstlerischen Wert. Eindrucksvoll erlebte das Ernstweiler Publikum auf jeden Fall die Stimmen der russischen Sänger. Klar, voluminös und mit tadelloser Intonation bewegte sich das Ensemble durch die unterschiedlichen musikalischen Traditionen und Epochen. Chorleiter Victor Smirnov lenkte punktgenau die Stimmen von Innokenti Jaroslawski (Tenor), Egor Nikolaev (Tenor und Countertenor), Alexej Buzakin (Bariton), Artem Kamalitdinov (Bass und Oktavbass) und Sergei Pleschak (Bass). Die Bandbreite des Repertoires war an diesem Abend in Zweibrücken recht umfangreich. Geistliche Lieder wechselten ab mit russischen Volksweisen und am Ende bewies man, dass sogar amerikanische Spirituals in der ganz eigenen Art von Anima interpretiert werden können. „Let My People Go“ erklang und damit auch das Titellied der aktuellen Jubiläums-CD, mit der das Sextett 20 Jahre Bestehen feierte. Man muss den Eindruck gewinnen, dass die russische Seele stets etwas traurig ist. Denn die Volkslieder haben fast alle eine gewisse Mollstimmung. Sie besingen auf tiefgründige Art Dinge wie eine einfache Kerze, beschreiben die Stimmung der Johannisnacht oder erzählen Geschichten von toten Räubern und sündigen Menschen. Ganz gleich, welcher Thematik sich die Komponisten angenommen haben, letztendlich steht Emotionalität immer im Zentrum des Interesses. Neben Originalkompositionen gehören zum umfangreichen Repertoire von Anima auch Bearbeitungen ursprünglich für gemischten Chor geschriebener Werke. Nicht zuletzt zeigen gerade diese Bearbeitungen einen neuen interessanten Blick auf die Originalkompositionen. Das alleine erklärt nicht den weltweiten Erfolg des Ensembles. Vielmehr faszinieren die besonderen stimmlichen Möglichkeiten der Sänger, deren Stimmlage vom tiefsten Bass bis zum hellen Countertenor reicht. Zudem weiß Victor Smirnov die besonderen stimmlichen Möglichkeiten der Sänger passgenau einzusetzen. Ein Phänomen, das auch in der Christuskirche zu hören war.

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