Zweibrücken Wissen, Macht und der „Trumpelpfad“

Die Buchstaben von „Wissen“ werden immer kleiner, die von „Macht“ immer größer – Wissen verwandelt sich zunehmend in Macht, zeig
Die Buchstaben von »Wissen« werden immer kleiner, die von »Macht« immer größer – Wissen verwandelt sich zunehmend in Macht, zeigt Wolfgang Ohler (oben). Mit einer Serie von Grafiken mit Pflastersteinen geht Karl Heinz Hillen zurück in die Zeit der 68er-Bewegung.

Die neue Ausstellung in der Zweibrücker Prisma-Galerie zeigt unter dem Titel „Weniger ist mehr“ Werke der Gastkünstler Wolfgang Ohler und Karl Heinz Hillen. Ohler ist in Zweibrücken bekannt durch seine langjährige Tätigkeit im Stadtrat und am Pfälzischen Oberlandesgericht, aber auch als Autor von Romanen, Theaterstücken und Hörbüchern. Nun versucht er sich in einem neuen Metier. Auch in der Bildenden Kunst bleibt er seinen sprachlichen Wurzeln treu.

Ohlers Arbeiten kann man am ehesten als Text-Grafiken beschreiben. Die Anordnung seiner Texte ergibt grafische Strukturen, eine Bildsprache. Damit kehrt er die Entwicklung der Sprache um: „Ursprünglich waren die Buchstaben kleine Bilder, zum Beispiel in der Keilschrift, die in ihrem grafischen Zusammenhang Sinn ergaben“, erklärt Ohler. „Dahin führe ich nun die Schrift zurück: in lesbare Wortbilder.“ Die Verwendung von Schrift als gestalterisches Element ist dabei nicht neu – Kubisten, Surrealisten, Dadaisten und die Pop-Art haben damit experimentiert. Wie Ohlers Text-Artwork funktioniert, wird exemplarisch an seiner Arbeit „Der Ausbruch“ deutlich: Das Wort Freiheit ist so in einem Längs- und Querschema angeordnet, dass es die Skizze einer Zellenstruktur ergibt, von oben gesehen. Nur einmal entsteht eine Öffnung, weil der Buchstabe F aus der Struktur herausgefallen und so eine Lücke im System entstanden ist – aber dahin muss man erst gelangen. Wechselnde inhaltliche Gewichtungen innerhalb einer Aussage verdeutlicht Ohler mit der Grafik „Wissen ist Macht“ − ein bekanntes Sprichwort, das Ohler kritisch ausleuchtet. Die Buchstaben von „Wissen“ werden immer kleiner, die von „Macht“ immer größer – Wissen verwandelt sich zunehmend in Macht. Ein System zeigt sich auch im Multiplizieren eines Wortes. Das biblische Zitat „Seid fruchtbar und mehret euch“ erfüllt sich selbst in der Vervielfältigung des letzten Wortes „euch“, das die ganze Seite einnimmt. Der Inhalt ist damit im Textkörper erfüllt. Sprache ist voller Widersprüche, wie Ohlers Arbeit „Der Titel“ zeigt. Die geweckten Erwartungshaltungen belasten den folgenden Text, zermalmen die Wörter und ihren Sinn, so dass das Buch, das sie enthält, entrümpelt werden muss – und dabei bleibt dann oft nichts mehr. Andererseits ist das doch Literatur. Und „wer schreibt, der bleibt“ − oder nicht? Ohlers implizite Fragen drängen sich nicht vordergründig auf, sie stehen unsichtbar zwischen den Zeilen und in den Freiräumen seiner Textgrafiken. Auch Text, Bild und Gedächtnis sind Themen von Wolfgang Ohler. Eine Stadtlandschaft, vergilbt, von Patina überzogen, ist voller Erinnerungen. Manche Erlebnisse und Erfahrungen teilt er bereitwillig, andere nicht – und dann gibt es noch die Erfahrungen, die unerwünscht sind, nach denen niemand fragt, die aus der Zeit hinausführen. Aber – am Anfang war das Wort, und das ist auch in der Bildenden Kunst Ohlers bevorzugtes Gestaltungsmittel geblieben in einem lebendigen Crossover. Auch für Karl Heinz Hillen ist die grafische Darstellung ein wichtiges Gestaltungsmittel. In seinem Bild „Das Abendmahl“ zeigt er Jesus und die Jünger als seine Duplexe, er hält dabei das saarländische Nationalemblem, zwei Lyonerwürste, in der Hand. Dabei unterscheidet sich in dieser in Gelb und Schwarz gehaltenen Arbeit der Gesichtsausdruck des Jüngers links außen von dem der anderen. Er blickt über sie hinweg, als wollte er sagen: „Aus eurer Nummer bin ich raus.“ Eine zeitkritische Arbeit, die den aufkommenden Nationalismus anprangert, ist die Grafik „Die Made bleibt in Germany“, die ebendiesen Text und eine anonyme Hand, die einen großen Felsquader mit versteinerten Herzen schleudert, vor dem Hintergrund der deutschen Flagge zeigt und doppeldeutig mit dem als Gütesiegel bekannten „Made in Germany“ spielt. Auch ein großes Holzkreuz, an dem ein Haken und ein schmales Band in den Farben der deutschen Nationalflagge befestigt sind, mahnt vor einem Wiederaufflackern des Rassismus, wie er sich in den USA schon im gewundenen „Trumpelpfad“ seinen Weg gebahnt hat, der durch das Zusammenrollen von amerikanischen Flaggen entstanden ist. Eine Serie von Grafiken mit 50 Pflastersteinen in immer neuen Variationen verkörpert die Jahre nach der gesellschaftlichen Wende 1968. Die notleidenden Völker, die sich auf den Weg in den reichen Norden machen, macht Hillen in den Grafiken „Go to Europe“ und in einem Selbstbildnis deutlich, das an ein Urlaubsplakat erinnert − wäre da nicht im Hintergrund der Zeitungsschnipsel mit Meldungen über Hungersnöte und sterbende Kinder. Ausstellung Weniger ist mehr“: Werke der Prisma-Künstler Raymond David, Bärbel Grub-Hapke, Peter Hudlet, Betina Knerr, Artur Mann und Hermann Weis, Werke der Gastkünstler Karl Heinz Hillen (Malerei/Grafik) und Wolfgang Ohler (Schriftbilder). Zweibrücken, Prisma-Galerie, Lammstraße 6, bis 8. Juni, Öffnungszeiten: freitags 15 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 13 Uhr.

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