Zweibrücken „Wir sind die Huren des Erfolgs“

Zu leicht sind die neuen Lieder: Kai Wingenfelder kann nicht so viele Fans in die Garage locken wie sonst.
Zu leicht sind die neuen Lieder: Kai Wingenfelder kann nicht so viele Fans in die Garage locken wie sonst.

2010 zogen Kai und Thorsten Wingenfelder den Stecker aus Fury in the Slaughterhouse. Als Duo fingen die einst so erfolgreichen Brüder noch einmal ganz von vorne an. Mit Fury war dann doch nicht ganz Schluss. 2017 erlebte die Band ihre bisher erfolgreichste Tournee. Doch anstatt sich auf dem wohl bereiteten Bett des Erfolgs auszuruhen, kehren die Brüder mit Wingenfelder nun wieder auf die harten Bretter der Clubs zurück.

Im Grunde sollte es eine Anekdote sein. Doch im Nachhinein schildert sie genau das Problem, an dem die Musik von Wingenfelder derzeit krankt. „Nur die Harten kommen in den Fernsehgarten“, witzeln die Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder am Mittwoch in der Saarbrücker Garage im Zwiegespräch. Einen Sommerhit wollten sie schreiben. Für eine Platte, deren Tournee im Herbst erfolgt. Vorgestellt wurde „Irgendwo ist immer Sommer“ schließlich in einer Fernsehsendung, die für standhafte Rockmusiker als Symbol der Vorhölle gilt. Im ZDF-Fernsehgarten eben. „Wir sind Huren des Erfolgs“, scherzt Thorsten Wingenfelder dazu. Antworten könnte man hier: „Ja, leider.“ Denn derzeit schippert das Schiff der Wingenfelders leicht orientierungslos in einer musikalisch schwerfälligen See. Es kann schon mal passieren, dass Rockmusiker in den Fernsehgarten berufen werden. Weil die Sendung ein Millionenpublikum an sich bindet, konnten sogar die Krawallschachteln von Jennifer Rostock zu solch einer Einladung einst nicht „Nein“ sagen. Doch während Jennifer Rostock sich bis heute musikalisch treu geblieben ist, muss man sich um die Wingenfelders ein wenig Sorgen machen. Zu belanglos ist das angekündigte Lied. Zu beliebig sind zu viele Titel auf „Sieben Himmel hoch“, der neue Wingenfelder-CD. Denkt man an die besten Kompositionen der Brüder, fällt einem zum Beispiel „Time to Wonder“ ein. Diese Fury-Hymne wird an diesem nicht ganz so leichtfüßigen Konzertabend ein Feuer der Begeisterung entfachen. Andere Wingenfelder-Lieder wie „Revolution“ aus dem Debüt „Besser zu zweit“ werden ebenfalls gefeiert. Doch aus zu vielen Lieder von „Sieben Himmel hoch“ weht eben ein laues Lüftchen. Eine Fanbasis, die den Brüdern seit Jahrzehnten eigentlich treu zur Seite steht, straft Wingenfelder deshalb mit Abwesenheit. Dabei spielen die Brüder mit ihren Musikern kein wirklich schlechtes Konzert. Aber es ist eben auch kein wirklich gutes. Das Beste aus 21 Stücken von „Sieben Himmel hoch“, „Bis nach Berlin“, hätte es fast nicht auf die CD geschafft, berichtet Kai dann noch. Lange habe die Band sogar darüber diskutiert, ob man es überhaupt live spielen solle. „Bis nach Berlin“ schildert die Flucht zweier Musikfreunde in die Stadt, in der Bowie „Heroes“ geschrieben hat. Denn dort, wo sie leben, steht auf das Hören westlicher Musik die Todesstrafe. Hier wird keine politische Botschaft, sondern eine menschliche verbreitet. Der Duft hieraus, die Sehnsucht der Freiheit in diesem Kleinod, weht dann bis in die Garage. „Bis nach Berlin“ ist ein tolles Stück Musik, mit orientalischen Stilelementen. Da ist es wieder mal, ein wundervolles Lied. Das ist den Wingenfelders seit rund 30 Jahren schon so oft gelungen. Es besteht also noch Hoffnung für die Huren des Erfolgs. Wir freuen uns jetzt schon auf neue, bessere Musik.

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