Zweibrücken Wie ein Barde mit Geschichten aus alter Zeit

Sie gehört seit den 80er Jahren zu den Stars der deutschen Popmusik: Anne Haigis. Und ihre Songs sind auch heute aktuell und packend, gehen unter die Haut. Am Freitagabend präsentierte sie vor etwa 100 Besuchern in der Stummschen Reithalle in Neunkirchen zusammen mit Gitarristin und Pianistin Ina Boos und Chorsängerin Uschi Bierlein einen bunten Querschnitt aus ihren Liedern der letzten drei Jahrzehnte.

In der stimmungsvollen Clubatmosphäre der Stummschen Reithalle, in der die Besucher gemütlich an kleinen Tischgruppen saßen, wirkte die Sängerin mit der roten Löwenmähne und der Baskenmütze wie ein weiblicher Barde mit Geschichten aus alter Zeit. Doch die Themen der großen musikalischen Erzählerin gehen jeden von uns an. „We Danced“ ist eine nostalgische Ballade, in der Anne Haigis ihren Erinnerungen nachhing, mit voller, dunkel getönter Stimme zu einigen kraftvollen Gitarrenakkorden. Doch dann schlug die Stimmung um, forsch und rau und dabei doch immer noch weich und gefühlvoll sang die Sängerin sich mit kehlig-aufblühender Stimme ihre Wunden von der Seele – und gerade diese bewusst zugelassenen Rauheiten machten die Interpretation von Anne Haigis umso berührender, ließen die beschriebenen Gefühle authentisch und unmittelbar wirken. Fernbeziehungen, ein altes und immer wieder neues Problem, das in unserer modernen, schnelllebigen Zeit mit ihren steigenden Anforderungen an die nahezu unbegrenzte Mobilität der Menschen immer drängender wird, ist das Thema ihres Liedes „Immer wieder“. Schnell und rasant rauschten die Gitarrenakkorde, kehlig rau, voller Kraft schrie Anne Haigis hier ihre Sehnsucht und ihr Verlangen hinaus. Einen rockigen Grundton und visionäre Beschwörung verband die Sängerin in ihrer romantischen Ballade über eine gescheiterte Liebe, Hoffnungen und Träume, die auch für ein „Kind der Sterne“ nicht immer in Erfüllung gehen. In der klaren und doch warm überhauchten, expressiven Stimme von Anne Haigis lebte hier die Aufbruchstimmung der 70er und frühen 80er Jahre noch einmal auf. Eine Hommage an Trude Herr waren die nächsten beiden Lieder: „Papa“ und „Nacht aus Glas“, das von Todesahnungen Trude Herrs überschattet ist. „Papa“, Trude Herrs zutiefst bewegende Liebeserklärung an ihren verstorbenen Vater, interpretierte Anne Haigis mit so feinen, bebenden Nuancen ihrer träumerisch-entrückten und gerade dadurch so ausdrucksstarken Stimme, dass es jedem Zuhörer unter die Haut ging. In die harten, kristallinen Klavierakkorde der „Nacht aus Glas“ fiel Haigis in tiefen, kraftvollen und doch so zerbrechlich wirkenden dunklen Bluestönen ein, ein rauer Aufschrei zeichnete die nächtlichen Ängste der Autorin Trude Herr nach. Kraftvoll und rockig, wild, tief und kehlig interpretierte die Sängerin dagegen Zuccheros Song „Un soffio caldo“, in dem sie sich die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit in einem flammenden Appell von der Seele sang. Eine Ballade, die sich zu einem Fanal entwickelte, war auch „Emily im Park“, ein Lied über eine junge Farbige in Stuttgart, die in ihrer südafrikanischen Heimat durch die Erfahrungen der Apartheid geprägt wurde und in Stuttgart das Erlebnis genoss, sich frühmorgens nach ihrer Putzschicht auf eine weiße Bank in einem öffentlichen Park setzen zu können. Ihre turbulente Gefühlswelt kam dabei in den schnellen, langgezogenen Klängen von Anne Haigis mit dem pochenden Rhythmus überzeugend zur Geltung. Die Sängerin mit der fesselnden Stimme und bezwingenden Bühnenpräsenz verabschiedete sich von ihrem Publikum mit dem australischen Nationalsong „Waltzing Matilda“ in der Version von Tom Waits. Die Auseinandersetzung mit Alkoholproblemen schrie Haigis in dieser nostalgisch-melodiösen Ballade immer wieder hinaus, in sich ersterbend. Doch „Keep Your Eyes Down“, wie ihre Zugabe nahelegte, war und ist für Anne Haigis nie ein Thema gewesen: Ihre Persönlichkeit und ihre sonore Stimme beherrschen jede Bühne und ziehen jedes Publikum in ihren Bann.

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