Zweibrücken Stimmen aus dem Publikum: Wegen seiner Vergangenheit etwas geworden

Viele Besucher nutzten die Gelegenheit und stellten Fragen ans Podium beziehungsweise trugen Anregungen vor. So erklärte der langjährige Gewerkschafter Werner Cappel, dass einige seiner Vorgänger bei der IG Metall von den Nazis verhaftet wurden und man deren Spuren bis heute nicht weiterverfolgt habe. Cappel appellierte ans Podium und alle Anwesenden: „Macht weiter, bohrt weiter, um herauszufinden, was mit den Opfern von damals geschah.“ Roland Paul empfahl Cappel einen Besuch im Landesarchiv Speyer, wo man Gestapo-Akten einsehen könne. „Woelbing ist nicht trotz, sondern wegen seiner Vergangenheit hier etwas geworden.“ Diese Überzeugung äußerte Walter Rimbrecht. Woelbing sei nur zwei Jahre nach seiner Verbeamtung schon Oberstudienrat geworden, und das, obwohl er als untalentierter Pädagoge bekannt und vom Schulrat abgelehnt worden war und obwohl ein solcher Sprung normalerweise mindestens vier Jahre dauere. Das spreche für hochrangige Fürsprecher Woelbings in Zweibrücken, so Rimbrecht. In Sachen Aufarbeitung der Nazizeit auf Funktionärsebene sei in Zweibrücken noch gar nichts passiert, erklärte Stadtarchivarin Charlotte Glück. Dies gelte es dringend nachzuholen, und die Voraussetzungen seien jetzt auch da: Die Akten seien einsehbar, und die Protagonisten tot. „So lange die Betroffenen noch leben, beurteilen sie auch mit und beeinflussen das Geschichtsbild“, so Glück. Jetzt erst könne man richtig loslegen mit der Vergangenheitsbewältigung. Manfred Marx meinte, er halte nichts davon, zu lange zu warten. Denn in den Familien würden immer andere Geschichten erzählt als etwa im Geschichtsunterricht. Er empfahl das Buch „Opa war kein Nazi – Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis“ von Harald Welzer, Sabine Moller und Karoline Tschuggnall. Es mache deutlich, wie historische belegte Fakten und Erzählungen/Erinnerungen aus der Nazizeit voneinander abweichen. Ingrid Kaiser meinte, die Causa Woelbing mache deutlich, dass die Nazis nach dem Krieg gebraucht wurden zum Wiederaufbau, weil gar nicht genug „übrig“ waren, die sich nichts hatten zu Schulden kommen lassen. Auch deshalb sei zunächst nicht groß nachgefragt worden. Erst die 68er Generation habe diese Fragen dann aufgeworfen – und die Eltern hätten weitgehend gemauert. Ludwig Wildt regte an, dass die Volkshochschule die NS-Vergangenheit der Zweibrücker Justiz und der Presse beleuchtet. Gisela Alt stimmte Kerstin Kiehm und Melani Nekic zu, dass es wichtig sei, Schüler zur Demokratie zu erziehen. „Dazu muss man aber auch wissen, was Demokratie verhindert“, wollte sie nicht, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit ins Hintertreffen gerät. Auch Gerhard Kaiser plädierte für das Erinnern, um aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen die Zukunft besser gestalten zu können. Warum nach dem Krieg alle den Mund hielten bezüglich Mitmenschen mit brauner Vergangenheit, darüber müsse man gesondert forschen. „Verdrängung alleine war es nicht“, so Kaiser. Maria Rimbrecht sprach als Mitglied des Arbeitskreises Zwangsarbeiter in Zweibrücken. Dort habe sie erfahren, dass die Bevölkerung die Zwangsarbeiter – 4000 waren es hier – sah, sie aber nicht wahrnahm und gar nicht mehr über sie wissen wollte. Sie wolle sich erinnern und sie wolle sich auch empören, sagte Rimbrecht mit Bezug auf andere Redner, die gesagt hatten, es gehe heute nicht mehr um moralische Empörung, sondern um sachliche Aufarbeitung der Geschehnisse unter der NS-Diktatur.

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