Kreis Südwestpfalz „Man kann den Lehrer nicht zurückspulen“

Am Tag der Digitalisierung morgen Nachmittag zeigt die IGS, was jetzt schon im Unterricht möglich ist – wie hier Unterricht mit
Am Tag der Digitalisierung morgen Nachmittag zeigt die IGS, was jetzt schon im Unterricht möglich ist – wie hier Unterricht mit Tablets und elektronischen Tafeln – und was in Zukunft möglich sein soll.

«Contwig.» Lernen, immer dann, wenn ich Zeit und Lust dazu habe. Rubin Lind hat sich dem Traum vieler Schüler angenommen und die App Skills4school entwickelt, mit der Lernen jederzeit mobil möglich ist. Morgen, Freitag, spricht der 19-Jährige aus Hamm, der jüngst als „Gründer des Jahres“ ausgezeichnet wurde, an der IGS in Contwig beim Tag der Digitalisierung (wir berichteten am 8. November). Andreas Sebald hat sich mit ihm über Merksprüche, Lerninhalte und Schulleistungen unterhalten.

Herr Lind, sagen Ihnen Sprüche wie „7, 5, 3 - Rom sprang aus dem Ei“ und „3, 3, 3 - bei Issos Keilerei“ was?

Nein, nie gehört. Das sind Merksprüche, mit denen sich Schüler geschichtliche Jahreszahlen merken sollen, hier die Gründung Roms und eine Schlacht von Alexander dem Großen. Die kenne ich nicht. Liegt vielleicht auch daran, dass ich keinen Geschichte-Leistungskurs hatte. Aber aus der Grundschule, da kenn’ ich solche Sprüche wie „Im Osten geht die Sonne auf, im Süden ist ihr Mittagslauf …“ und so weiter. Vielleicht ist die Zeit der Merksprüche auch vorbei. Ihre Schulzeit ist noch nicht allzu lange her, und Sie haben sich intensiv mit dem Lernen befasst, eine App entwickelt, mit der Lernen jederzeit möglich ist … Ja, genau. Die Art und Weise, wie wir lernen, hat sich verändert. Das Umfeld, die Gegebenheiten. Die Schüler sind heute viel flexibler, sind mehr draußen. Da ist es doch angenehm, wenn ich unterwegs lernen kann, selbstständig. Was war der Auslöser, sich mit dem Thema Lernen und App zu befassen? Das war in der 11. Klasse. Da habe ich mich intensiv auf eine Prüfung vorbereitet. Habe alles Mögliche gemacht, Lernvideos auf Youtube angeschaut, aus dem Buch gelernt, auch aus den Mitschriften. Und dann habe ich die Prüfung verhauen und eine Fünf kassiert. Ich konnte irgendwie nicht abschätzen, was ich brauche und ob ich das, was ich lernen sollte, auch wirklich verstanden hatte und anwenden konnte. Um welches Fach ging es da? Um Mathe. Das war bei mir auch im Abi nicht so der Hit. Die anderen Fächer waren gut, aber in Mathe halt nicht so. (lacht) Kann ich irgendwie verstehen … Es lag nicht am Fach, um das mal deutlich zu sagen. Es ist nur so, dass in vielen Fächern, auch in Mathematik, in der achten und neunten Klasse Grundlagen gelegt werden. Viele Schüler schalten in der Zeit aber mal eine Zeit lang ab, klinken sich aus. Das macht es schwierig, Versäumtes wieder aufzuholen. Erzählen Sie ein wenig über Ihre App. Also die Idee hatte ich vor etwa drei Jahren. Das Thema hat mich dann lange beschäftigt und nicht mehr losgelassen. Anfangs sprach vieles dagegen, ich kann beispielsweise gar nicht programmieren. Aber ich bin dran geblieben. Ich war damals in einer Schülerfirma und habe dann meine Ideen in einer Powerpoint-Präsentation zusammen getragen. Dann ging es zu Wettbewerben, wenn es da Preisgeld gab, habe ich das gespart, davon Software-Entwickler bezahlt. So hat sich das Stück für Stück immer weiter entwickelt. Und das Lernen mit Ihrer App ist beiläufig und unterwegs möglich? Man kann sich damit gut vorbereiten. Es ist doch so: Wenn ein Lehrer etwas in einer Klasse erklärt, dann verstehen das einige Schüler beim ersten Mal. Andere brauchen länger, so dass der Lehrer es drei- oder viermal erklärt. Was ist aber mit den Schülern, die es sechsmal hören müssten? Lernen ist etwas sehr Individuelles. Man kann den Lehrer nicht zurückspulen, bei der App kann man den Lernfortschritt selbst kontrollieren und regeln. Wie funktioniert die App, grob gesprochen? Wir arbeiten mit Abfragen und Bildern. Auch mit Videos? Nein, wir wollten da nicht in Konkurrenz zu den vielen Lernvideos stehen, die es schon auf Youtube gibt. Die App ist aber nicht nur für Schüler gedacht. Lehrer können sie auch nutzen, dazu müssen sechs Parameter ausgewählt werden, etwa das Bundesland, in dem gelehrt wird, was wieder Auswirkungen auf die Lehrpläne und Lerninhalte hat. Die Lehrer können auch eigene Inhalte zur Verfügung stellen. Es geht aber auch ohne Lehrer, da wir die Schüler, die Lehrer haben, die nicht so affin für die Digitalisierung sind, nicht ausgrenzen wollen. Seit April wurde die App rund 10 000-mal runtergeladen. Waren Sie schon mal in der Südwestpfalz? Kennen Sie Contwig? Oder Zweibrücken? Saarbrücken sagt mir was … Okay, das lass’ ich als Großraum gelten. Wie kam der Kontakt nach Contwig zustande? Ein Elternteil hat mich in einer anderen Sache angeschrieben über das Netzwerk Linkedin. Irgendwann wurde ich dann gefragt, ob ich nicht vorbei kommen und einen Vortrag über meine Arbeit halten will. Und nun komme ich vorbei. Ihre Schulzeit ist mittlerweile vorbei, was lernen Sie im Moment? Ich arbeite in Vollzeit als Geschäftsführer, bin viel unterwegs, halte Vorträge. Da bleibt wenig Zeit. Ich würde gerne meine Fähigkeiten als Programmierer verbessern. Allerdings ist es auch so, dass ich viel lerne bei dem, was ich gerade mache. Beispielsweise über Führungsmanagement oder Buchhaltung. Es gibt ja viele Stimmen, die sagen, dass man in der Schule wenig lernt, was man hinterher im Leben wirklich gebrauchen kann. Das kann man nicht pauschalisieren. Ich glaube auch nicht, dass noch mehr in die Lehrpläne hineingepackt werden sollte. Das ist auch sehr, sehr individuell. Ich beispielsweise hätte es sehr schön gefunden, in der Schule etwas über Vertragsrecht zu lernen. Klar, das kann ich mir auch selbst aneignen. Aber das trifft dann auch auf die alten Lehrinhalte zu, die teilweise aus einem uralten System stammen. Da muss jeder seine Interessen selbst herausfinden. Morgen Die IGS Contwig lädt für morgen, Freitag, von 14 bis 17.30 Uhr zum Tag der Digitalisierung ein. Kommen darf jeder. Der Vortrag von Rubin Lind beginnt um 17 Uhr.

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