Zweibrücken Kalter Wind im Land der Fjorde

Sehnsüchtig warten wir derzeit auf den Frühling. Wer aber von herbstlicher Depression immer noch nicht genug hatte, war am Donnerstag im Homburger Saalbau bestens aufgehoben. Dort führte man Henrik Ibsens Drama „Gespenster“ auf. Ein Stück, bei dem wirklich alles ein schlechtes Ende findet.

Kein Wunder, dass sich trotz prominenter Besetzung nur rund 250 Zuschauer für das anspruchsvolle Schauspiel interessierten. Die konnten bereits beim Anblick des Bühnenbildes von Martin Käser ahnen, was ihnen in den nächsten drei Stunden bevorstehen würde. Ein gutbürgerliches Wohnzimmer in der trüben und kalten Fjordlandschaft Norwegens bot den Hintergrund für eine komplexe Handlung mit ausufernden Monologen, denen zu folgen sich als recht anstrengend herausstellte. Alles war in aschgraues Licht getaucht. So wirkte die Szenerie wie aus einem alten Schwarz-Weiß-Film adaptiert. Dass man später zu einem dezenten Sepia wechselte, konnte man schon fast als Ausbruch unbändiger Fröhlichkeit interpretieren. Ibsen erzählt in „Gespenster“ eine Familiengeschichte aus dem 19. Jahrhundert. Allerdings könnte sich das eine oder andere Ereignis auch heute zugetragen haben. Doch sicherlich ruft die schonungslose Offenlegung von falscher Moral und der Appell für ein freies Leben heute weit weniger Protest hervor als zur Zeit der Uraufführung 1881. Helene Alving, Witwe des Hauptmanns und Kammerherrn Alving, lebt in ihrem großbürgerlichen Haus und hat ein großes Projekt abgeschlossen. Das Kinderhaus zu Ehren ihres verstorbenen Gatten ist eingeweiht. Gerade ist Osvald, das schwarze Schaf der Familie, ins Haus seiner Eltern zurückgekehrt. Er ist Künstler, ein Freigeist und wird von der Mutter innig geliebt. Zum Vater war das Verhältnis angespannt. Dass die Ehe der Alvings schon nach einem Jahr am Ende war, wundert nicht. Auch nicht, dass Osvald ein auffallendes Interesse am Hausmädchen Regine zeigt. Doch ein näheres Verhältnis muss verhindert werden. Denn Regine ist Osvalds Halbschwester. Und hat noch mit dem angespannten Verhältnis zu ihrem Vater zu kämpfen. In dieser komplizierten Familiensituation agieren die Protagonisten des Dramas. Lange Dialoge sind zu bewältigen, das ist nicht nur für die Schauspieler anstrengend. Dennoch, das Ensemble der Theatergastspiele Führt zeigte eine ebenso anspruchsvolle wie bemerkenswerte Leistung. Zumal Regisseur Peter Preissler mit seiner fünfköpfigen Truppe eine lobenswert solide Inszenierung erarbeitet hat. Bei der Besetzung hatte man sich auf Schauspieler verlassen, die vielen Zuschauern aus Film und Fernsehen bekannt sein dürften. Anja Kruse mit ihrer großen Bühnenerfahrung gab eine schauspielerisch souveräne Helene Alving, Witwe des Hauptmanns und Kammerherrn Alving, von dem sie sich durch die Stiftung eines Kinderheims emanzipieren will. Überzeugend spielt sie die Zerrissenheit einer bemerkenswerten Persönlichkeit, die von den tragischen Ereignissen in ihrer Familie mitgerissen wird und am Ende daran zerbricht. Ralf Komorr wollte ihr als sittenstrenger Pastor Manders eine Stütze sein, scheitert jedoch an seiner eigenen Unzulänglichkeit. Den beiden gegenüber Sarah Maria Besgens als Regine Engstrand, die in ihrem Habitus weit mehr ausstrahlt als ein einfaches Dienstmädchen zu sein. Gefühlsstark in der seinem Schicksal innewohnenden Tragik Michael Kühl als Feingeist Osvald, der sich in Paris die Syphilis eingefangen hat und jetzt zurückgekehrt ist, um zu sterben. Dem Ensemble gelang es, die düstere und bedrückende Atmosphäre der Vorlage Ibsens überzeugend zu vermitteln. Das Publikum wird zum Richter und darf beurteilen, wie es zu den zwiespältigen Persönlichkeiten der handelnden Personen steht. Wirkliche Sympathieträger gibt es kaum, und so dürfte ein endgültiges Ergebnis schwierig sein. Dennoch gab es am Ende viel Applaus für eine Inszenierung, die den Zuschauern als auch dem Ensemble viel abverlangte.

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