Donnersbergkreis „Ich bin so, wie ich bin“

Beim Festival „Begegnung in der Kunst“ – hier beim Ensemble „Terra est vita“ – hat es viele bewegende Momente gegeben. Immer mit
Beim Festival »Begegnung in der Kunst« – hier beim Ensemble »Terra est vita« – hat es viele bewegende Momente gegeben. Immer mit dabei: die Zahl 13, die dieses Jahr im Mittelpunkt gestanden hat.

Outsider Kunst. Schrill, verblüffend und oft sehr berührend. Alles andere als normativ. Behinderte und „Normalos“, Kinder und Erwachsene, begegnen sich in der Kunst – in Kirchheimbolanden im 13. Jahrgang, Thema ist damit die ambivalent-berüchtigte Zahl 13. Gut oder böse? Andreas Meder, der gemeinsam mit Andreas Kolb das großangelegte Schlossgarten-Festival der Lebenshilfe zusammen mit der Stadt organisierte, ist hochzufrieden: „Großartig. 120 Teilnehmer und Helfer hatten wir bei den Workshops!“

Freitagabend. Auf einem Rundgang durch den Park stellt sich der Workshop mit „tanzbar bremen“ vor. Kinder bewegen sich zu Techno-Rhythmen, drehen sich, springen, und greifen – beachtlich synchron choreografiert – nach einer gelben Kugel (das Glück?). Ein Pärchen spielt mit ihr (die Liebe?). Mystisch, verschlüsselt, schön. Eine ältere Gruppe, paarweise in graue Plastikplanen gehüllt, lässt zunächst an Elefanten denken und bleibt rätselhaft. Später bewegen sich die Akteure in Zeitlupengesten, verknoten sich zu einer lebenden Plastik. Zuletzt weichen sie, einander behutsam stützend, Baumklotz-Hindernissen aus. Befreit hüpfen sie, deuten mit dem Finger aufs Publikum: He, ihr da seid gemeint. Begeisterung, Zugabe-Rufe. Im Workshop Musik erarbeitete die Lebenshilfe-Gruppe Lieder zum Mitsingen. „Cordula Grün. Ich hab’ dich tanzen gesehen.“ Motto des Abends: „Ich bin so, wie ich bin.“ In stampfende afrikanische Wüstenblues-Rhythmen mischt sich Bekanntes wie „Hejo, spann den Wagen an!“. Kulisse einzigartig, Stimmung toll Dann gehört die große Bühne dem Hijinx Theatre aus Wales. In „Rock Cliché“ zeigen zwei Spaßmacher, Musikstar Rocky Legend und sein Partner Roadie Dave, eine schräge Parodie. Ihre Band blieb auf der Strecke, jetzt müssen sie die Show ihres Lebens in einem Selbsthilfe-Programm bewältigen. Pantomimisch und mit viel Klamauk kommen zu Konservenmusik sämtliche (Luft-)Instrumente zum Einsatz, zu Dauerbrennern wie „Fernando“, „We Will Rock You“ oder „Smoke On The Water“ tanzen etliche Fans mit. Der gefeierte Star steigt hinab, herzt sein Publikum – bis seine rabiate Mammi das Treiben beendet. Die Sommernacht ist warm, die Parkkulisse einzigartig. Sind es 400 Besucher? Oder mehr? Die Stimmung ist toll. Die „Staccato Burnout Band“ tritt auf, sechs Musiker aus Deutschland, Griechenland, Italien und Syrien entführen in orientalische Klangwelten – mit einem Instrumentarium von Oud bis Keyboard. Orient und Okzident in ungetrübter Harmonie. Virtuos glänzt Bandleader Walid Khatba, vor seiner Flucht Konzertmeister der Syrischen Philharmonie, an der Geige. Abbas, ein Gast aus dem Sudan, rappt temperamentvoll das Finale. Seine Botschaft soll den Menschen Hoffnung geben: „Peace, everywhere. Ihr seid meine Brüder und Schwestern.“ Am Samstagnachmittag lädt der Kinderzirkus Pepperoni zum Mitjonglieren ein. Stadtbürgermeister Marc Muchow will die riesige bunte 13-er Plastik vor der Orangerie aufstellen lassen, weitere Grußworte sprechen der Beigeordnete Peter Stumpfhäuser und Walfried Weber, Präsident der Westpfälzischen Lebenshilfe. Ringsum sind die Ergebnisse des Workshops Bildende Kunst zu bewundern: überdimensionierte farbenfrohe Gesichter – freundlich, lachend, drohend, naiv, abweisend –, jedes für eine Geschichte gut. In einem pompösen Zelt, auf goldenem Thron, hält eine Wahrsagerin Hof und liest (pantomimisch) die Zukunft aus einer Kristallkugel. Im Schatten des Mammutbaums spielt das Theater Bunterhund (von der Lebenshilfe Gundersdorf bei Berlin) irische Geschichten, untermalt von den Klängen einer Keltenharfe. Was ist Glück, was Pech? Wer kann das sagen? Malerische Puppen mischen sich als Fabelwesen ins Spiel: eine Fee, begleitet von ihrer Ziege, der Kobold, der seinen Goldtopf unter Hagebutten vergraben hat. Die Fee befreit einen verwachsenen Korbflechter von seinem Buckel, weil er so schön mit ihr gesungen hat – wunderbar suggestive und poetische Szenen. „Terra est vita“, ein Ensemble aus Lüchow-Dannenberg, führt den Klassiker „Jedermann“ auf – plakativ vereinfacht und packend. Skurril. Der Hauptdarsteller ist mit roter Knollennase als Clown markiert, die Mitspieler tragen Masken: die knallrote Geliebte, der schwarze Tod und sein Pendant, der weiße, gefiederte Engel, das lange Zähne bleckende Teufelchen in Grün, ein Wolf. Sie machen Party zur Filmmusik von „Great Gatsby“. „Ich bin der reichste Mann“, protzt Jedermann. Als ihn der Tod im Sarg abholen will, lässt der Großkotz einen riesigen Kopf – sein Mammon – Goldtaler spucken. Dieser Geldapparat wirkt so hohl wie unangreifbar saturiert. Aber der Tod bleibt unbestechlich. Auch auf Russisch wird gesungen Die Party geht weiter. „Rosa sieht Rot“ – Corinna Mindt und Neele Buchholz von „tanzbar bremen“, ausstaffiert mit Rollkoffern und Sonnenschirmchen, tanzen in schillernden Rot- bis Pinktönen und fabelhafter Übereinstimmung bis hin zur Akrobatik einen Pas de Deux der Spitzenklasse um Reiselust, Lebenshunger, Liebe, Trennung, Streit. Großartig! „Blaumeiers Fransen“ aus Bremen macht Show mit fetzigem Rock und Pop. Farbtupfer setzt die Saxofonistin Dorothee, und Treffer sind bekannte Hits wie „I Feel Good“, „No Women No Cry“ oder „Junge, warum hast du nichts gelernt?“. Finaler Höhepunkt: das „Donati Swing Ensemble“ aus Wendelsheim. Die fünf Vollblutmusiker reißen mit per Querschnitt durch vibrierenden Gypsy-Swing, Klezmer, Eigenkompositionen, Klassiker wie die „Mackie-Messer-Moritat“ bis hin zu Mozarts „Rondo alla turca“. Sie spielen mit zigeunerhafter Bravour, süffig, rasant, feinfingrig, emotional, und sie improvisieren ideenreich. Viel Beifall erhält Gastsängerin Catherine Brisch. Ihre Ausstrahlung ist groß. Und der Hit „Those were the days, my friend“ wird gar auf Russisch mit dem Publikum geübt. Echte Rausschmeißer sind das jiddische Evergreen „Bei Mir Bistu Scheen“ und „Schwarze Augen“. Wieder ein ungewöhnliches Festival voller Überraschungen und Anregungen. Andreas Kolb dankte allen beteiligten Künstlern für „gute Musik, guten Tanz und gutes Schauspiel“, Meder für die Zusammenstellung des Programms und nicht zuletzt dem Bauhof und vielen Helfern im Hintergrund. Bis zum nächsten, 14. Mal ...

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