Kreis Südwestpfalz Fleißiger Bauherr, nah am Staatsbankrott

Viele Exponate sind Leihgaben aus der Zweibrücker Bibliotheca Bipontina und aus dem Fundus des Homburger Sammlers Gerd Steuer.
Viele Exponate sind Leihgaben aus der Zweibrücker Bibliotheca Bipontina und aus dem Fundus des Homburger Sammlers Gerd Steuer.

«Saarbrücken.» „Von Gotteslästerung und Vollsauffen“ sowie „von heimlichen Verlöbnissen und fleischlichen unordentlichen Vermischungen“ handeln die beiden aufgeschlagenen Seiten einer alten „Nassau-Saarbrückischen Kirchenordnung“, die in diesen Wochen in einem Raum des Saarbrücker Saarlandmuseums zu bewundern ist. „Wilhelm Heinrich war fromm und ein großer Freund von Verordnungen für alles Mögliche“, erzählt Stefan Heinlein, der als Leiter der Alten Sammlung die Ausstellung über den Saarbrücker Barockfürsten kuratiert hat. Das Zusammentragen der Exponate war nicht leicht: „Obwohl Fürst Wilhelm Heinrich für die Saar-Region so bedeutend war, haben sich in Saarbrücken leider nur wenige Originale aus seiner Regierungszeit erhalten“, bedauert Heinlein. In den Wirren der Französischen Revolution – und beim von ihr ausgelösten Großbrand des Saarbrücker Schlosses am 7. Oktober 1793 – seien viele Besitztümer des barocken Herrschers verloren gegangen. „Umso mehr freuen wir uns, dass Leihgeber aus der Region uns einige herrliche Stücke zur Verfügung gestellt haben“, sagt Roland Mönig von der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Ein solches Stück ist das eingangs geschilderte Exemplar von Wilhelm Heinrichs gestrenger Kirchenordnung: Wie so viele weitere zeitgenössische Bände, die jetzt die Sonderausstellung zieren, stammt dieser Foliant aus den Beständen der Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken. Eine zweite wichtige Quelle historischen Originalmaterials aus der Welt des Fürsten ist der Fundus des Homburger Antiquitäten- und Münzhändlers Gerd Steuer: Der passionierte Sammler hat dem Saarbrücker Museum unter anderem zwei reich geschmückte Jagdpistolen aus der Zeit um 1760 und ein Jugendbildnis des Fürsten aus den 1740er Jahren überlassen. Prächtig ist eine barocke Lack-Kommode mit chinesischen Ziermotiven: Wie Roland Mönig erläutert, vermutet man heute, „dass diese Kommode einst im Zweibrücker Stadtschloss gestanden hat. Es kann aber auch im Homburger Schloss Karlsberg gewesen sein.“ „Wilhelm Heinrich lebte von 1718 bis 1768“, berichtet Roland Mönig: „Als herausragender Politiker ist er allerdings nicht in die Geschichte eingegangen. Und ein feinsinniger Mäzen oder Kunstsammler wie Karl II. August in Pfalz-Zweibrücken war er auch nicht. Doch dafür bleibt er als großer Architekturschöpfer in Erinnerung, der zusammen mit seinem Baumeister Friedrich Joachim Stengel seiner anfangs ärmlichen Residenz Saarbrücken ein neues Gesicht gegeben hat.“ Als Zentrum seines Staatsgebiets mit gerade einmal 22 000 Einwohnern in vier Städten und 140 Dörfern schuf der Regent in Saarbrücken das Schloss mit seinem barocken Vorplatz und der Schlosskirche, in der sich bis heute sein prächtiges Grabdenkmal erhalten hat. Zum kirchlichen Mittelpunkt seiner Hauptstadt machte Wilhelm Heinrich den Ludwigsplatz mit der 1775 eingeweihten Ludwigskirche und den weiß getünchten Stengel-Häusern, in denen heute die saarländische Staatskanzlei ihren Sitz hat. Solcherlei prunkvolle Bauten verschlangen neben Wilhelm Heinrichs teurer Hofhaltung und seiner Vorliebe für alles Militärische Unsummen. Um Einnahmen für sein Fürstentum zu erzielen, versuchte sich der Herrscher daher in der Förderung von Eisenwerken und Glashütten. So fallen die Anfänge des Steinkohle-Bergbaus an der Saar nebst der zugehörigen Industriezweige in Wilhelm Heinrichs Regierungszeit. Als Zeugnis jener Epoche ziert ein mächtiger gusseiserner Ofen aus dem Neunkircher Eisenwerk die Sonderausstellung. Ein weiteres ruinöses Hobby leistete sich der Fürst mit seiner Porzellanmanufaktur in Ottweiler. „Von den etwa 120 Stücken Ottweiler Porzellan, die sich bis heute erhalten haben, sind heute 80 im Besitz des Saarland-Museums“, zeigt Roland Mönig stolz einige verschnörkelte Kaffee- und Teeservices vor. „Neben den prächtigen Bauten und der frühen Saar-Industrie hat Wilhelm Heinrich seinem Nachfolger eine horrende Staatsverschuldung hinterlassen“, verschweigt Mönig nicht: „Das Land stand nahe am Staatsbankrott. Nur durch eiserne, vom Deutschen Reich aufgezwungene Sparmaßnahmen konnte es sich am Ende aus dieser Finanzmisere befreien.“ Info —Ausstellung „Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken – Staatsmann, Feldherr, Städtebauer“ noch bis 24. Februar im Saarlandmuseum (Alte Sammlung) am Schlossplatz in Saarbrücken. — Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr. Öffentliche Führungen jeweils sonntags, 15 Uhr. —Eintritt fünf Euro, ermäßigt drei Euro. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind frei. Freier Eintritt an jedem Dienstagnachmittag ab 15 Uhr. —Internet: www.kulturbesitz.de

Ausstellungskurator Stefan Heinlein vor einem Staatsporträt Wilhelm Heinrichs von Nassau-Saarbrücken.
Ausstellungskurator Stefan Heinlein vor einem Staatsporträt Wilhelm Heinrichs von Nassau-Saarbrücken.
Die chinesisch verzierte Lackkommode soll einst im Zweibrücker Schloss oder auf Schloss Karlsberg gestanden haben.
Die chinesisch verzierte Lackkommode soll einst im Zweibrücker Schloss oder auf Schloss Karlsberg gestanden haben.
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