Zweibrücken Das Bier fließt aus Wasserhähnen

Machte es spannend und witzig: Autor Anant Kumar.
Machte es spannend und witzig: Autor Anant Kumar.

„Berlin – Bombay“ heißt der Debütroman von Anant Kumar. Der in Kassel lebende indische Schriftsteller stellte ihn am Freitag in der Kapelle der Fachhochschule vor.

Die kauzig-humorvolle Art des quirligen Autors fiel schon auf, als er die knapp 30 Zuhörer begrüßte. Im Mittelpunkt des Romans steht der indische Wissenschaftler und Professor Dipak Talgeri und seine Beziehung zu der deutschen Kellnerin Eva Seilmeyer. „Ich wollte das Leben eines skrupellosen Karrieremachers darstellen und kritisch hinterfragen“, erläuterte Kumar. „Nach Gandhi kippte die indische Gesellschaft um, von hohen Idealen hin zu Karrierestreben und Korruption. Gestalten wie Talgeri gibt es in der Akademikerszene weltweit. Er will so schnell wie möglich aufsteigen, ein Global Player werden, Macht ausüben. Aber beim Schreiben hat sich der Roman anders entwickelt.“ Wenn Anant Kumar liest, baut er Spannung auf, ist witzig und unterhaltsam. „60 000 Wörter über die Nacht – in Berlin und Bombay, in 22 Kapiteln. Jedes davon wird eröffnet von einem Zitat aus Goethes ,Faust`,“ stimmte er seine Zuhörer auf die Lesung ein. Nicht nur durch diese Hommage versuchte der Autor, eine Verbindung zwischen deutscher und indischer Kultur herzustellen. Im ersten Auszug seiner Lesung stellte er den jungen indischen Germanisten Dipak Talgeri aus Bombay als Promotionsstudenten in Deutschland vor. In seiner lebhaft-temperamentvollen Vortragsweise griff er dabei Fremdbilder und Klischees auf. Malaria und Armut seien in Deutschland ein unbekannter Begriff, das Bier fließe aus den Wasserhähnen. Und der junge Doktorand Dipak tat, was viele andere auch taten: Er gab viel Geld von seinem Stipendium für teure Telefonate mit seiner Mutter aus, mit den immergleichen Ermahnungen, sich auf sein Studium zu konzentrieren und auf seine Gesundheit zu achten. Und er kaufte viele Süßigkeiten und Spezialitäten wie Lindt-Schokolade und Marzipan für sie ein. Die Stimmung der progressiven nationalistischen Eliten und der Mittelschicht im Indien der späten 60er und frühen 70er Jahre wurde hier greifbar, ebenso ihr Deutschlandbild. Die Entnazifizierung war ein Thema, aber auch das Wissen, dass Hitler Vegetarier gewesen sei. Ernüchtert musste der Nachwuchswissenschaftler dann feststellen, dass die jungen Deutschen gar kein so großes Interesse an Indien hatten. Für sie waren die USA, andere europäische Länder, die Versöhnung mit den sozialistischen Staaten Osteuropas und der Weltfrieden wichtig. Indien mit seinem Atomprogramm war da suspekt. Ganz anders ist Eva Seilmeyer aufgewachsen, die Kellnerin mit den ostpreußischen Wurzeln, in die sich Dipak Talgeri verliebt. Auch sie hat ihre Vorurteile, so ist sie beispielsweise über Dipaks helle Haut erstaunt. Inder gehörten doch zu den dunklen Völkern, so dachte sie bisher. Kumar zeigte seinen Protagonisten, inzwischen in Indien Professor geworden und standesgemäß verheiratet, dann wieder in den 90er Jahren bei einem Germanistenkongress in Mönchengladbach. Im Treffen mit Eva, aber auch mit seinem amerikanischen Freund Hendrik McCartney machte Kumar hier die Veränderung seiner Hauptfigur deutlich. Auffallend waren dabei die feine Ironie, die Doppelbödigkeit der Sprache, die zu den Qualitäten von Kumars Stil gehört und ein Augenzwinkern und Funkeln in seine Präsentation brachten. Lesezeichen Anant Kumar: „Berlin – Bombay. Aus dem Leben von Eva Seilmeyer und Dipak Talgeri“. Verlag Auf der Warft (ADW) im Geheimsprachen-Verlag Münster 2016, 290 Seiten, 19,80 Euro.

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