Kreis Südwestpfalz Dank Drogen bis zu drei Wochen am Stück wach

Er trank schon früh, hatte immer wieder Ärger in der Schule. Später fuhr er öfter ohne Führerschein, schmiss mehrere Jobs. Und weil er Aufputschmittel nahm, war er manchmal bis zu drei Wochen am Stück wach: Der 22-Jährige aus der Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land, der einen 19-Jährigen ermordet haben soll, berichtete gestern Morgen am Saarbrücker Landgericht aus seinem Leben, schwieg aber weiter zu den Vorwürfen gegen ihn. Derweil prüft die Staatsanwaltschaft weitere Beweise.

Mit Alkohol fing es an. Wann das war, kann der 22-Jährige nicht mehr so genau sagen. Wohl in der siebten, achten Klasse in Contwig. „Ich hab’ morgens Bier gekauft und vor der Schule getrunken, mit anderen“, erzählte er gestern. Danach sei er mehrere Monate im Taunus in Therapie gewesen, aus der er sich selbst entließ. „Da waren mir zu viele Rückfällige.“ Er wechselte die Schule, hatte aber auch dort immer wieder Ärger. „Ich war verbal frech“, sagte er, einmal habe er auch einen Mitschüler angespuckt. Weil er der Schulleitung schon mehrfach aufgefallen war, flog er von der Schule. Während der Angeklagte das Trinken nach eigener Aussage in den Griff bekam, habe er während seiner Lehre zum Konstruktionsmechaniker „eine Drogenproblematik mit Amphetaminen entwickelt“, wie er es nannte: Erst habe er die Aufputscher nur wochenends genommen, dann häufiger. „Ich hab’ den Großteil meines Azubigehalts in Amphetamine und ins Rauchen investiert“, erzählte er gestern. Durch die Drogen sei er manchmal bis zu drei Wochen am Stück wach geblieben − und brauchte dann eine Woche Krankenschein, weil er nur noch schlief. Die Lehre schaffte er dennoch. Nachdem er zwei Jobs geschmissen hatte, habe er im Januar 2017 einen Neustart gemacht: neue Arbeit, keine Aufputschmittel mehr. „Seitdem bin ich clean“, erklärte er. Wenn sich die Vorwürfe der Saarbrücker Staatsanwaltschaft gegen den 22-Jährigen als wahr erweisen, ging diesem Neustart ein Mord voraus: Der Mann soll im August 2016 den 19-jährigen Adriano G. an einer Waldhütte ermordet haben. Laut Anklage hatten die beiden am Abend zuvor eine Geburtstagsparty in Kleinblittersdorf besucht. Das spätere Opfer soll dort mit einer größeren Summe aus Drogengeschäften geprahlt haben. Der Angeklagte soll dem Saarbrücker später Geld und Drogen abgenommen und ihn, als er schlafend im Auto lag, erdrosselt haben. So hat es ein 31-Jähriger den Ermittlern berichtet, der laut Staatsanwaltschaft half, die Leiche nach Lothringen zu schaffen (wir berichteten am Samstag). Besagter Kronzeuge wurde vor Gericht noch nicht gehört. So glatt wie geschildert verlief der Neustart des 22-Jährigen offenbar nicht: Bis in den September 2017 hinein reichen die Urteile gegen den jungen Mann, der seit 2010 mehrfach die Justiz beschäftigte. Der Vorsitzende Richter Bernd Weber listete unter anderem gefährliche Körperverletzung, Fahren unter Drogen, Beleidigung sowie Trunkenheit am Steuer auf. Der Angeklagte fiel demnach immer wieder beim Schwarzfahren auf, fuhr wiederholt ohne Führerschein Auto, verursachte Unfälle und flüchtete. Er wurde laut Weber zu Arbeitsstunden, Geldstrafen sowie mehrjährigen Jugendstrafen auf Bewährung verurteilt und muss wohl noch längere Zeit warten, ehe er nochmals den Führerschein machen kann. Bei einem Unfall sei er „aus der Kurve gerutscht“ und gegen ein anderes Auto geprallt, erzählte der Angeklagte gestern. „Das hätte auch ein Fußgänger sein können“, merkte der Vorsitzende an. Rosetta Puma, welche die Mutter des Toten als Nebenklägerin vertritt, wies gestern auf weitere Therapieaufenthalte des Angeklagten hin. Die seien ihm „entfallen“, als er dem Gericht seinen Lebenslauf schilderte, räumte der 22-Jährige ein. So verbrachte er als 14-Jähriger nach eigenen Worten mehrere Wochen in der Homburger Psychiatrie, weil er mit einem Freund Teile einer giftigen Zierpflanze konsumiert hatte. Der Verteidiger des Angeklagten hatte vergangene Woche erklärt, es gebe bisher unbekannte Beweise, die den Mann entlasten sollen. Die Staatsanwaltschaft gehe diesen „Anregungen nach, wie wir es immer machen“, sagte Oberstaatsanwalt Raimund Weyand gestern der RHEINPFALZ. Es ist anzunehmen, dass sich der Angeklagte erst äußert, wenn die Beweise ausgewertet sind. Rund 25 Zuhörer verfolgten die gestrige Verhandlung, darunter Angehörige und Bekannte des Angeklagten sowie des Opfers. Einige von ihnen gerieten nach der Verhandlung kurz aneinander, es blieb jedoch beim Wortwechsel. Der Prozess wird übermorgen fortgesetzt.

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