Zweibrücken 60 Musiker hören auf ihr Kommando

Zu Hause macht sich die Orchesterdirigentin Julia Neumann Gedanken darüber, wie sie mit dem Sinfonieorchester der Universität de
Zu Hause macht sich die Orchesterdirigentin Julia Neumann Gedanken darüber, wie sie mit dem Sinfonieorchester der Universität des Saarlandes Stücke großer Komponisten interpretieren wird.

Künstlerisch vielseitig ist die 1985 in Zweibrücken geborene Kirrbergerin Julia Neumann. Die studierte Violinistin belegte im Nebenfach Orchesterleitung bei Jonathan Kaell. Seit 2013 dirigiert die junge Frau das Sinfonieorchester der Universität des Saarlandes. Damit bricht sie in eine Männerdomäne ein.

Denkt man an berühmte Orchesterleiter, fallen einem in der Regel wohl Männer wie Herbert von Karajan oder Zubin Mehta ein. Spielen oder spielten sie mit ihren Orchestern Werke der klassischen Musik neu ein, hört die Musikwelt mit atemloser Spannung hin. Bis heute dominieren die Männer diese Szene. Julia Neumann gehört zu den wenigen Frauen, die vor einem klassischen Orchester am Dirigentenpult stehen. Sich als Vorbild für Frauen hervorzutun, liegt ihr trotzdem fern. Die Kirrbergerin meint sogar, „dass es immer mehr Frauen in der Orchesterleitung gibt“. Der 1989 verstorbene Herbert von Karajan gab als Dirigent der Berliner Philharmoniker einst der Emanzipation der Frauen in der klassischen Musik einen mächtigen Schub. Er verhalf Anne-Sophie Mutter zu ihrem Status als weltbekannte Violinistin. Das war in den 70er und 80er Jahren keine Selbstverständlichkeit. Schon gar nicht als erste Geige im Orchester. Ob er aber auch Dirigentinnen den Weg ans Pult geebnet hätte? Julia Neumann möchte sicher nicht mit diesen beiden Legenden der klassischen Musik in einem Atemzug genannt werden. Obwohl die Saarpfälzerin deren Berufsfelder ausfüllt. In der Orchesterleitung gehören sie und ihre Kolleginnen trotzdem zu den Vorkämpferinnen. Solche Gedanken liegen Neumann aber fern. „Ich meine sogar, das nur Frauen in meinem Kurs waren, als ich das Studium begonnen habe“, wiegelt sie ihre Rolle als Ansporn für andere Frauen ab. Die Kirrbergerin studierte Orchesterleitung im Nebenfach. Im Zentrum ihrer Studien bei Wolfgang Mertes stand die Violine. Infolgedessen hat sich die Geigerin auch einen Namen als Solistin gemacht. Neumann trat mit dem Jungen Philharmonischen Orchester Niedersachsen, der Jungen Sinfonie Berlin oder dem Philharmonischen Orchester Bonn auf. Konzertreisen führten sie nach Russland, Polen, Italien und China. Bis heute spielt die Dirigentin gerne als Violinistin in Orchestern mit. Doch auch als Dirigentin ist die junge Frau etabliert. Seit 2013 leitet sie das Sinfonieorchester der Universität des Saarlandes, das in der Regel 60 Musiker vereint. Mit ihnen gewann sie im November 2015 den Landesorchesterwettbewerb Saar. Beim Deutschen Orchesterwettbewerb im Mai 2016 belegte sie in Ulm den zweiten Platz. Das sind Pfründe, mit denen die Hobbyautorin, die an der Veröffentlichung eines zweiten Buches arbeitet, nicht wuchert. Viel lieber spricht sie über die Musik und das Dirigieren. In der Regel sollte man, wenn man Orchesterleiter werden möchte, im Hauptfach Klavier studieren. Aufgenommen wurde die Violinistin in ihrem Nebenfach trotzdem. Weil sie schon erste Dirigier-Erfahrung im Homburger Johanneum gesammelt hatte. „Ich habe damals in der Schule das Kleine-Mäuse-Orchester übernommen. Das sind die Kinder der Mittelstufe.“ Wofür trägt Neumann im Orchester eigentlich die Verantwortung? Wie interpretiert die Dirigentin Kompositionen? „Es beginnt mit der Wahl des Tempos für das Stück. Zwar haben viele Komponisten das Tempo vorgegeben. Man hat da trotzdem Möglichkeiten, anders zu spielen. Es gibt ja Komponisten, die nur die Richtung vorgeben; in Allegro oder Moderato. Es gibt auch die Klangfarbenarbeit. Welche Stimmung möchte ich hören? Und es sind ja wirklich viele Instrumente in einem Orchester besetzt. Manche nimmt man aber bei Aufnahmen kaum wahr. Weil ein Dirigent an dieser Stelle etwas Anderes wichtig fand. Es gibt also viele Möglichkeiten, Musik zu gestalten und einmalig zu machen.“ Ihr Talent sieht die junge Frau im Gestalten von Musik: „Ich habe immer Bilder im Kopf. Ich vergleiche Orchesterstücke mit Landschaften. Man kann in der Musik Stimmungen entdecken. Man kann darstellen, was man hört.“ Ans Komponieren wagt sie sich aber nicht. „Das ist sehr anspruchsvoll. Ich würde es gerne mal probieren. Für das Komponieren braucht man aber eine Grundlage. Ich überlege, an der Hochschule nachzufragen, ob ich dafür Unterricht bekomme. Es gibt nämlich zu viele Menschen, die lernen etwas im Internet. Und dann erzählen sie anderen, dass sie das können. Ich finde es hingegen wichtig, dass man sich nicht in irgendetwas reinstürzt.“ Wer steht im Mittelpunkt, wenn ein Sinfonieorchester spielt? Der Dirigent? Oder das Orchester? „Das hat sich über die Zeit sehr geändert. Heute ist das ein regelrechter Kult. Dirigenten werden oft mehr erwähnt als das Orchester. Ich mag das nicht so. Ich finde, der Dirigent ist dazu da, das Orchester zu leiten. Ich habe immer wieder Schwierigkeiten mit Dirigenten, die für das Publikum dirigieren. Ich werde dafür auch kritisiert. Das ist aber nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist es, die Musik zu erschaffen. Ich habe das oft selbst erlebt als Mitglied eines Orchesters. Ich konnte manchmal nicht mehr erkennen, was der Dirigent von mir will. Soll ich lauter spielen? Oder schneller? Aber das Publikum war begeistert, weil seine Gesten so ausschweifend waren.

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