Speyer Zwangssterilisierter stirbt an Leib und Seele geschädigt

Auf einem Medaillon: Josef und Susanna Kaiser als Kinder.
Auf einem Medaillon: Josef und Susanna Kaiser als Kinder.

Am Montag werden zum fünften Mal Stolpersteine in Speyer verlegt. Sie sollen Andenken an 20 Bürger aus sechs Familien sein, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Sie lebten einst in den Häusern, vor die die Steine kommen. Die Idee zu dem dezentralen Mahnmal hatte Künstler Gunter Demnig, die Biografien der Opfer hat die Speyerer Stolperstein-Initiative recherchiert. Die RHEINPFALZ gibt ihre Ergebnisse zu den Geschwistern Kaiser wieder.

Josef (1921 bis 1991) und Susanna (1922 bis 2010) kommen als Kinder der unverheirateten Speyererin Maria Kaiser zur Welt. Ihre Väter sind farbige französische Besatzungssoldaten aus Madagaskar beziehungsweise Marokko. 1926 heiratet die 23-Jährige Heinrich Laubenstein. Die dunklere Hautfarbe der Kinder stempelt sie früh zu Außenseitern; rassistische Vorurteile gegen sie sind verbreitet. Dies wirkt sich besonders ab 1933 auch auf Ausbildung und Beruf aus.

In Speyer sollen sieben Kinder farbiger Besatzungssoldaten geboren worden sein von etwa 400 Zwangssterilisierten im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz. Da die beiden Besatzungskinder von Marias Cousine Anna 1929 zum hier gastierenden Zirkus Stey gestoßen sind, folgt 1931 auch Josef Kaiser diesem Weg, zumal er sehr sportlich und kräftig ist. Nach Training mit dem Enkel des Zirkusdirektors treten beide erfolgreich als „die jüngsten Gladiatoren der Welt“ auf. Später ist Josef Teil einer Hochseil-Vierertruppe, bis Ende 1933 ein Arbeitsunfall seine Artistenkarriere beendet.

Zur Hilfsarbeit verdammt

Als „Nicht Arischer“ ohne Lehrstelle muss er sich als Hilfsarbeiter verdingen. Im gleichen Jahr wächst am Otterstadter Weg ein Siedlungsprojekt; Josef arbeitet auf der Baustelle seines Stiefvaters mit, die Familie zieht in das Haus Nummer 53a, heute 121. Ab Sommer 1936 wird er beim Autobahnbau eingesetzt. Ein streng geheimer „Führerbefehl“ vom 18. April 1937 führt zu einer illegalen Geheimaktion der Gestapo gegen die „Rheinlandbastarde“: Zwangssterilisation.

Eine amtsärztliche „Untersuchung“ und „Begutachtung“ geht dem Eingriff voraus. Wegen des drohenden Eingriffs heuert Josef auf einem Frachter an, jedoch ist keine Flucht möglich – der Schiffsführer lässt ihn weder von Bord noch zahlt er Heuer. Schließlich kann Josef als Erntearbeiter von Juni bis Oktober 1937 bei Bauer Wilhelm Meyer in Winden untertauchen. Dann droht das Gesundheitsamt seiner Mutter mit Konsequenzen, wenn sich ihr Sohn nicht bis 15. Oktober melde.

Josef erkrankt jedoch an Diphtherie, kommt ins Speyerer Diakonissenkrankenhaus. Als seine Mutter das Amt aufsucht, wird sie unter Druck gesetzt, mit Konzentrationslager bedroht, sodass sie schließlich der Sterilisation des 16-Jährigen zustimmt. Die Gestapo entführt Josef bei seiner Entlassung aus dem Speyerer Krankenhaus nach Ludwigshafen, wo er am 29. Oktober 1937 zwangssterilisiert wird. Das gleiche Schicksal war seiner Schwester Susanna am 5. Juni 1937 widerfahren. „Als geheilt entlassen“, verweigert man Josef eine Bescheinigung über den tatsächlichen Eingriff.

Erfolge als Gewichtheber

Der „Wehrunwürdige“ wird ab Mitte 1943 Fahrer bei der Organisation Todt, eine paramilitärische Bautruppe. September 1944 kehrt er nach Speyer zurück, Ende 1945 heiratet er Herta Grimm. Dank des Artistentrainings seiner Jugend ist er nach wie vor sehr sportlich, tritt später in den AV 03 Speyer ein, wo er als Gewichtheber sportliche Erfolge feiern kann. Doch weder „Wiedergutmachung“ noch eine kleine Rente können ein zerstörtes Leben „wiedergutmachen“ oder „entschädigen“ – Josef Kaiser leidet lebenslang an Depressionen und Unsicherheiten. Dies und Krankheiten führen zur vorzeitigen Verrentung; an Leib und Seele geschädigt, stirbt er 1991 an Nierenversagen.

Susanna Kaiser wird Arbeiterin: zuerst in der Baumwollspinnerei, dann bei der Firma Klais Eisschrankfabrik Speyer. Seit 1941 bei der Firma Siemens in Speyer, wird sie für ihre lose Bekanntschaft mit einem belgischen Kriegsgefangenen 1943 zu sieben Monaten Haft in Frankfurt-Preungesheim verurteilt. Im Juli 1945 heiratet sie den ehemaligen französischen Kriegsfangenen Marcel Médard (1923 bis 1999), sie kehren in sein Heimatland zurück. 1960 ziehen beide nach Speyer. Susanna Médard stirbt 2010.

Termin

Beginn der Stolpersteinverlegungen am Montag, 12. September, 13.30 Uhr, vor dem Anwesen Maximilianstraße 31. Spenden für Stolpersteine sind möglich an die Stadt Speyer, Kennwort: Stolpersteine, IBAN: DE20 5455 0010 0000 0015 86.

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