Speyer Wochenchronik:
Das Jahr geht auf sein Ende zu. Damit wird es höchste Zeit für Rückblicke. Auf Margarete Boiselle zum Beispiel. Die Genossin ist die Zierde ihrer Partei und die Königin des Stadtrats. 50 Jahre, zehn Legislaturperioden, vier Oberbürgermeister und die erste Frau im Beigeordnetenamt sind ihre „Trophäen“. Und dabei könnte sie, fit wie sie sich mit ihren gerade einmal 92 Lenzen immer noch präsentiert, noch wer weiß wie viele Sitzungen durchhalten. Aber ganz neu ist eine solche Ausdauer nicht für Speyer. Alt-OB Werner Schineller hat in seiner ihm eigenen Art darauf hingewiesen – mit einem Blick in die große Geschichte dieser großen Stadt. Melchior Fuchs weist demnach in seiner 1711 herausgegebenen vierten Auflage der Speyerer Chronik darauf hin, dass im Mittelalter von damals 14 Ratsmitgliedern der Jüngste 80 Jahre alt gewesen sei. Es sei Usus damals gewesen, Mitgliedern, die 50 Jahre dem Gremium angehörten, „ein Jubiläum auf städtische Kosten zu geben“. Und dann schlug Schineller prompt die Brücke zu heute. Er hoffe, dass Rat und Verwaltung trotz gnadenlosen Sparzwangs, Stichwort Entschuldungsfonds, noch in der Lage seien, den Empfang für die Grande Dame der Speyerer SPD zu zahlen. Aber natürlich stecke auch in CDU-Politikern das Durchhalte-Gen, vergaß Schineller nicht zu sagen. Wenn denn, so rechnete er, CDU-Fraktionschef Gottfried Jung, nach Boiselle inzwischen Rats-Ältester, auch nur bis zum zarten Alter von 90 im Rat bliebe, hätte er 70 Jahre im Gremium auf dem Buckel. Sogar mehr als die verdiente Genossin. Ausdauer ist auch ein Markenzeichen der ersten Bildungsanstalt der Stadt. 475 Jahre wird das Gymnasium am Kaiserdom im kommenden Jahr alt. Und genau so lang hat es gebraucht, bis an der Schule den Schülern ein Mittagessen angeboten wird. Eine „Bonsai-Version“ von Betreuung, sagte Direktor Peter Zimmermann ganz ehrlich. Gefühlte 475 Jahre warten nach Angaben der verantwortlichen Schuldezernentin Monika Kabs ihre Vorgänger und Oberbürgermeister darauf, dass sich in dieser Richtung in der „Schulstadt“ was bewegt. „Drei von fünf Gymnasien machen jetzt endlich etwas, davon zwei private“, anerkannte sie. Immerhin. „Wir erfinden ein Rad, von dem wir nicht wissen, wie rund es ist“, sagte Zimmermann vorsichtig. Schüler und Eltern hoffen, dass es nicht wieder 475 Jahre dauert, bis Unwuchten in dem Rädchen ausgewuchtet sind. Sie respektieren sich (hoffentlich), aber sie mögen sich wohl nicht so wirklich: die SPD-Landtagsabgeordnete Friederike Ebli und ihr Nachfolger in Mainz, der Speyerer SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Feiniler. Letzterer macht sich gerade auf zum Stabwechsel am 18. Dezember in der Landeshauptstadt. Stolz hat er die Annahme des Mandates samt Foto vom unterzeichneten Dokument gepostet – und damit prompt die „große Friederike“ beleidigt. „Habe gerade Walters Zustimmung zur Annahme des Landtagsmandats gelesen. Ab 19. Dezember wird es also ernst für ihn. Bis dahin muss er mich noch ertragen. Hätte mich aber auch über ein kleine persönliche Rückmeldung gefreut!“, giftete sie im sozialen Netzwerk zurück. Facebook-Krieg! Wir erinnern uns: Anfang des Jahres war es „die Ebli“, die „den Feiniler“ sehr, sehr lange hat warten lassen, bis sie ihm – via Medien – mitgeteilt hat, wann sie ihren Ersatzmann endlich ranlasse. Jetzt seine Retourkutsche. Denn eigentlich geht die Abgeordnete gar nicht so gerne. Sie soll ja ein bisschen geschubst worden sein, wird kolportiert. Aber wie schreibt einer ihrer Freunde im Netz? „Vergiss eines nicht: In der Politik gibt es keine Dankbarkeit.“ Dafür Parteifreunde. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Es war der erste Bundeskanzler der Republik, Konrad Adenauer, der das gesagt und damit pragmatische Politik auf den Punkt gebracht hat. Bis heute verfahren Politiker nach dieser Maxime. Auch wer hauptamtlicher Beigeordneter/Beigeordnete der Stadt Speyer werden will, zum Beispiel. Da gab es 2007 eine Zeitungsanzeige einer namhaften Partei. „Nein – zur Hauptamtlichkeit eines Beigeordneten – Nein zu dieser Geldverschwendung mit über 100.000 Euro – Nein zum politischen Machterhalt von SWG/CDU.“ Eine Unterzeichnerin von damals bewirbt sich heute gerade um dieses Amt. Und viele, viele Polit-Pragmatiker feiern die pragmatische Kandidatin als neue Hoffnungsträgerin ihrer Partei auf dem Weg zurück an die Macht. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ In der besten aller denkbaren Städte haben Umweltschutz, Ressourcen schonen und Energie sparen Konjunktur. Im Amtszimmer von Monika Kabs etwa geht das Licht von alleine aus, wenn sich keiner bewegt und eine bestimmte Helligkeit herrscht. Die Bürgermeisterin selbst hat die intelligente Lampe mitgebracht und ein Modellbüro „Energiebewusstsein“ im Stadthaus. Die Verwaltung scheint aber noch nicht ganz durchdrungen von diesem Gedanken. Im schönen Treppenhaus des Stadthauses hängt ein herrlicher Adventskranz mit vier großen elektrischen Kerzen. Und alle brennen. Am Dienstag nach dem ersten Advent! Auch im Rathaus unweit davon hängt ein wunderschöner Adventskranz. Mit vier elektrischen Kerzen dran – und alle brennen. Selbst die beste aller denkbaren Städte hat noch Luft nach oben. Es gibt in diesem Jahr keinen Umweltpreis. Kein Beitrag eingegangen, verkündet die Stadt. Dabei war es noch nie so leicht wie anno 2014. Es hätte nur jemand einen Schalter installieren müssen, mit dem sich elektrische Kerzen am Adventskranz einzeln schalten lassen. Spaß beiseite. Eine Bürgerin hat den Umweltpreis für sich reklamiert. Sie habe im Juni einen Vorschlag eingereicht. Darin habe sie empfohlen, die EBS-Satzung zu ändern. Wer auf der Deponie etwas finde, wofür er Verwendung habe, aber ein anderer das ausrangiert habe, sollte er den Fund mitnehmen dürfen. Das würde Geld sparen, weil die Stadt diesen „Müll“ nicht entsorgen müsse. Die Speyererin, die dort immer Verwendbares findet, hat nicht einmal eine Eingangsbestätigung von der Stadt erhalten. Wenn, wie behauptet, sonst keine Bewerbung vorliege, stehe ihr der Umweltpreis zu folgert sie. Nachvollziehbar. Zum Schluss die gute Nachricht der Woche: Ein 82-jähriger Speyerer hat ein neues Telefon. Es sei offensichtlich defekt oder er könne es nicht bedienen. Die Firma, bei der er das Telefon gekauft habe, wolle ihm kein anderes Modell verkaufen. Er wählt den Polizei-Notruf. Die Streife macht kurzen Prozess, fährt zu ihm, erklärt die Funktion des Geräts – und schreibt ihm eine kleine, verständliche Bedienungsanleitung. Jetzt telefoniert der Mann wieder. Der Polizei sei Dank.