Speyer Wochenchronik:

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ... Was Hermann Hesse einst gedichtet hat, gilt sogar für den Start in eine neue Legislaturperiode. Im Ratssaal Speyer schwirrten am Mittwoch bei der konstituierenden Sitzung neugierige, staunende, unsichere und zurückhaltende Blicke der „Neuen“ umher. Daneben begrüßten sich alte Hasen so auffallend überschwänglich, als hätten sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Hyperaktive brachten vor lauter Übereifer den Ablaufplan fast durcheinander. Einer streckte OB Hansjörg Eger schon die Hand zur Verpflichtung hin, als der noch dabei war, das Prozedere zu erklären, und Hauptverwaltungschef Ernst Müller dessen Namen noch nicht verlesen hatte. Der Rat wusste aus Erfahrung, dass alphabetisch aufgerufen wird und marschierte gleich drauf los. Weil sein Name mit A beginnt, hatte er sogar Grund dazu. Im Alphabet mal hinten anzufangen, wäre für die Stadt kein Hokuspokus gewesen, für den Ratsherren bestimmt. Zauberhaft dürfte das Gefühl für Reinhard Mohler nicht gerade gewesen sein, als das neue Mitglied des Gremiums seinen Sitzplatz am Ratstisch entdeckte. Eher ein Schockerlebnis. Der im Unfrieden von der BGS geschiedene Mediziner sitzt nämlich direkt an der Ecke zu den Mitgliedern der Wählergruppe, für die er als Mitglied noch sein Mandat geholt hat. Im 90-Grad-Winkel, sodass er seinen ehemaligen politischen Freunden auch noch permanent in die Augen sehen kann. Ein Schelm, wer der Sitzplatz-Regie da Böses unterstellt. Wenn es das Schicksal so richtig gut mit einem meint, dann kann das genauso aussehen. Gestraft sind der Einzelkämpfer und die BGS-Brüder direkt nebendran. Ausgleichende Gerechtigkeit. Eine Lostrommel aus Beständen der Hauptverwaltung war am Mittwoch der größte Freund der „Speyer-Nord-Partei“ BGS. Nachdem Fraktionschef Ableiter all seine juristischen Kenntnisse ebenso eloquent wie beharrlich, aber letztlich doch in irriger Annahme darauf zu verwenden suchte, dem OB das Losverfahren auszureden, musste er am Ende die Rechtsprechung akzeptieren und losen lassen. Wer auch immer die Lostrommel oder die Finger Egers verzaubert oder verhext hatte – er zog zweimal BGS als Gewinner der zu vergebenden Sitze in Aufsichtsgremien heraus. Weil der Fraktionschef seine verbalen Attacken gegen das Verfahren als „Rächer der kleinen Gruppen“ gestartet hatte, damit diese auch eine Chance bekommen, warten seit dem Doppelglück der kleinen BGS einige sehr gespannt darauf, dass die Gruppierung eines der mit Glück ergatterten Mandate an einen anderen abgibt. Leider hat ein fauler Zauber Ableiter, dem Glückspilz, den Mund versperrt. Noch ganz dem alten Zauber von 20 Jahren ununterbrochener Beteiligung an der Macht verfallen scheint SWG-Fraktionssprecher Martin Roßkopf. Braun gebrannt, im Nach-Wahl-Urlaub sichtbar gut erholt, aufrechten und federnden Gangs stolzierte er durch den Ratssaal. „Den drückt die Last der Koalition jetzt nicht mehr“, scherzte ein Beobachter. Die bisherige „Koalition“ aus CDU, FDP und SWG ist Vergangenheit. Aber seine neue Rolle hat der Nun-Oppositionelle noch nicht begriffen. Zwar wetterte er kraftvoll gegen das Ansinnen, dem Schum-Städte Verein gegen Beitrag beizutreten. Und kündigte an, immer wieder Haushaltsdisziplin anzumahnen. Aber dagegen stimmte er nicht. Nicht einmal eine Enthaltung wie zu Koalitionszeiten war mehr drin. Er war dafür. Gut gebrüllt Löwe. Dann den Schwanz eingezogen. „Die waren teuer“, betonte Oberbürgermeister Hansjörg Eger lediglich auf die Frage, woher denn die gelben, picobello sauberen, leeren Plastikhüllen der Überraschungseier stammen, in die die beschrifteten Loszettel gesteckt wurden, nachdem sich der Verwaltungschef vom ordnungsgemäßen Zustand von Trommel, Zettel und ungefüllten Eiern überzeugt hatte. Inzwischen hat die Verwaltung eingeräumt, dass es solche Behälter gar nicht zu kaufen gebe. Frage also: Woher kommen die Dinger und was ist mit dem Inhalt passiert? Nicht nur wer Kinder hat, weiß doch, dass diese Behälter in süßer Schwarz-Weiß-Schokolade stecken und ein Mini-Spielzeug mit großem Sammlerwert enthalten. Zu der Befreiungsfrage schweigt das Stadthaus. Das nährt den Verdacht, dass Mitarbeiter der Verwaltung in treuer Erfüllung der Dienstpflicht die süßen Hüllen verzehren, damit die gelbe Plastik-Innerei herauskommt. Eine tolle Aufgabe für städtische Leckermäulchen. Klappt der offizielle Fassanstich, stimmt das Wetter, haut der Polonaisen-Weltrekord hin, läuft der Umzug, gefällt der Festplatz? Alljährliche Unwägbarkeiten, die das Brezelfest auch reizvoll machen. Es kommen immer wieder neue dazu. Die zum Glück in der Regel gemeistert werden: Wie am Eröffnungs-Donnerstag. Während im Zelt zünftig gefeiert wurde, hatte eine Mannschaft auf dem Platz andere Sorgen: Für das Fahrgeschäft „Chaos Airport“ war die Anfahrt nach Speyer mit einem Unfall in Höhe von Frankfurt beendet. Ein Hänger war in den Graben gerutscht. Schließlich in Speyer angekommen, riss die Deichsel am Wagen ab, sagte Marktmeister Franz Hammer gestern. Ein Schmied musste ran. Es hat geklappt. Seit gestern fährt das „tolle, neue Geschäft“, so Hammer. Problem gelöst. Ein andere Frage klärte sich wohl vorab. SPD-Stadträtin Stefanie Seiler hat, wie berichtet, am Donnerstag ihr erstes Dirndl gekauft. Kurz zuvor fragte sie in der RHEINPFALZ-Sommerredaktion Kollegin Angelika Wöhlert: „Kann ich im Rock auf den Stadtratswagen steigen am Sonntag beim Zug?“ Seiler befürchtete zu neugierige Blicke von unten. „Kein Problem“, beruhigte die Gefragte. „Die Brüstung am Wagen reicht hoch genug – für jede Rocklänge“. Ob’s wirklich passt, wissen wir am Sonntag.

x