Speyer Witzig und zum Weinen schön
Für Bernhard Sperrfechter war die Eröffnung des 21. Oldtime Jazz Festivals am Donnerstagabend eine Premiere. Zum ersten Mal hat der Musikschulleiter das viertägige Traditionsfestival organisiert. Das niederländische Quartett „4 Wheel Drive“ hat als erste der sechs Formationen, die bis Sonntag Oldtime Jazz im Speyerer Rathaus-Innenhof präsentieren, die zahlreich versammelten Liebhaber des Genres begeistert.
„Viel Traditionsbewusstsein, Spaß und gute Musik“, versprach Sperrfechter den Besuchern bei seiner Ankündigung der „Allradgetriebenen“ aus Holland. Antoine Trommelen, Eelco van Velzen, Frank Bilsen und Paul Habraken kamen ohne Trompete und Schlagzeug, eigentlich ein absolutes Muss für Jazz-Band-Besetzungen. Unbeirrt von gesteckten Grenzen wanderten die Ausnahmemusiker mit Saxofon, Posaune, Banjo und Sousafon von Duke Ellington zu Sidney Bechet oder Elvis Presley. Der soll nach Angaben von Moderator und Posaunist van Velzen leben und sogar hinter der Speyerer Bühne dabei gewesen sein. Bei der eindrucksvoll emotionalen „4 Wheel Drive“-Version von „Love Me Tender“ mit gesanglicher Beteiligung des Publikums hat er nicht gefehlt ... So eigenwillig wie ihre Besetzung war die Stücke-Auswahl der Niederländer. Irving Berlins „Alexander’s Ragtimeband“ mit einem rasanten Banjo-Solo von Bilsen war dabei, Bechets „Honey Suckle Rose“ interpretierte „4-Wheel-Drive“-Gründer und Sopran-Saxofonist Trommelen grandios. Mit dem von van Velzen als blöd bezeichneten „Kaffeemühlen-Titel“ des Jazz-Saxofonisten Bechet spielten sich die vier Holländer endgültig in die Herzen der Zuhörer. Originell, amüsant, gefühlvoll, musikalisch immer auf höchstem Niveau: „4 Wheel Drive“ ist es gelungen, Stilrichtungen und Tonarten im Minutentakt zu wechseln, ihr Publikum anzurühren und zum Mitswingen zu bewegen. Dass er den Blues instrumental und gesanglich kann, hat Trommelen mit „St. James Infirmary“, aus dem er kurzerhand „St. James In Germany“ gemacht hat, besonders beeindruckend bewiesen. Zum Weinen schön sang der Bandleader von der Frau, die er niemals finden wird. Van Velzens Posaune fing die Melancholie des Liedes mit Gänsehaut-Faktor auf, Bilsen und Habraken vollendeten sie eindrucksvoll mit Banjo und Sousafon. „Eigentlich ist technisch gar nicht möglich, wie Habraken spielt“, erklärte Trommelen den Besuchern das Ausnahmetalent des Sousafonisten, der sein Instrument scheinbar mühelos von Melodie zu Melodie führte und atemberaubende Soli präsentierte. Vier großartige Musiker, ein Programm voller Witz und leidenschaftlicher Musikalität: Besser hätte das Festival nicht eröffnet werden können. „Hier ist alles gut“, lobten die Holländer die Speyerer Organisation, Technik und Bewirtung. „Sogar die Band“, ergänzte ein Besucher ...