Speyer Von der Bierbrauerei zur Sektkellerei

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Mitten in der Stadt, auf einem Hügel, steht die ehemalige Kurpfalz-Sektkellerei. Das historische Gebäude befindet sich auf einem weitläufigen Grundstück, das sich von der Mühlturmstraße 3a bis zur Oberen Langgasse 30 erstreckt.

Gebaut wurde das langgestreckte Hauptgebäude mit der Backsteinfassade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Bierbrauerei „Zur Sonne“. Solide errichtet mit zwei Stockwerken über dem Erdgeschoss, sieht man ihm in seiner gediegenen Einfachheit die gewerbliche Vergangenheit noch an. Einziger Schmuck die Klinkerfassade, und jede Ebene ist mit einer Flucht halbrunder, großer Fenster versehen, die im Innern für viel Licht sorgen sollen. Tiefe Gewölbekeller liegen unter dem nördlichen Teil des Gebäudes, die sowohl für die ursprüngliche Brauerei, als auch die Sektkellerei notwendig waren. Südlich vom Haupthaus erstreckt sich ein weitläufiges, abfallendes freies Brachgelände, das früher eine großzügige Gartenanlage barg. Darin stand ein eleganter, achteckiger, reich verzierter Gartenpavillon aus dem 19. Jahrhundert, ein offener Holzbau mit zwei angrenzenden Räumen. Er ist heute verschwunden. Ein Backstein-Gartenhaus mit Walmdach steht noch. Das Haus ist heute unbewohnt. Es wirkt, als ob halbherzig Umbaumaßnahmen begonnen, dann aber mittendrin gestoppt wurden. Unter anderem war von einer Hotel-Idee die Rede. Schutt- und Steinhaufen liegen herum, ein schmaler Weg an einem Bauzaun entlang verbindet Obere Langgasse mit Mühlturmstraße. Im Park hinter der Stadthalle steht das Eingangstor der Sektkellerei mit einem Wappen auf dem Sturz, das in Wirklichkeit ein Warenzeichen ist: ein Sektglas, waagrecht darüber drei Wellenlinien, die den Rhein bei Speyer symbolisieren, über dem Wappen der Kurfürstenhut für die Kurpfalz. Eine große Vergangenheit liegt hinter dem in Dornröschenschlaf versunkenen Gelände: 1921 gründete Otto Schwarz in Bad Dürkheim zusammen mit Karl Stolleis die „Rheinische Brutweinsektkellerei GmbH Bad Dürkheim“. Die stellte als Halbfabrikat zum Weiterverkauf an Sektkellereien Brutweinsekt her, außerdem fertigen Sekt, den sie unter dem Markennamen „Kurpfalz“ vertrieb. Das Unternehmen florierte, sodass schon nach kurzer Zeit die Keller nicht mehr ausreichten. Im Juni 1922 fand Otto Schwarz in Speyer das ehemalige Brauereigelände, nach dem Umzug wurde die Kellerei zur „Rheinischen Sektkellerei AG“, dann 1925 zur „Kurpfalz Sektkellerei Akt.Ges.“. Nicht nur die Familie des Gründers wohnte in dem Haus, sondern auch andere Mitglieder des Vorstands und Mitarbeiter der Kellerei lebten dort. Es muss ein recht familiärer Geist geherrscht haben, wie man dem Erinnerungsbüchlein „Die Kurpfalz-Sektkellerei Speyer von 1921 bis 1970“ von Alexander Schwarz, dem Sohn des Gründers, entnehmen kann. Er wurde am 15. April 1927 auf dem Gelände der Sektkellerei als viertes von insgesamt sieben Kindern geboren. Immer wieder wurde das Gelände der Kurpfalz-Sektkellerei umgebaut, sei es aus betrieblichen oder privaten Gründen. Im Jahr 1993 zog die Kurpfalz-Sektkellerei in die Brunckstraße, 1995 wurde sie von der internationalen Henkell-Gruppe übernommen. Das Haus, das der Sektkellerei und später einer Bank gehörte, kaufte der Speyerer Händler Volker Mühleisen, dem es bis heute gehört. „Ich liebe das Haus, weil ... ... wir Geschwister herrliche Kindheitstage auf dem Gelände der Kurpfalz-Sektkellerei verbrachten und oft nicht zu bremsen waren. Das ganze Firmengelände war ein einziger Abenteuerspielplatz mit seinen Stallungen mit Speichern und dem wunderschönen Garten.“ Alexander Schwarz, Sohn des Gründers Otto Schwarz, in den 1970er Jahren. Die Serie In Speyer gibt es einige prachtvolle Häuser, die erahnen lassen, wie viel Reichtum die Unternehmer in der Hochphase der Industrialisierung besessen haben. Diese Serie bot Einblicke in das Leben der „Villen-Nutzer“ – damals und heute.

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