Speyer Voller Nachttopf unterm Klavier
Ein ganz schöner Grantler, dieser Beethoven. Und dann hat er auch noch einen vollen Nachttopf unterm Klavier stehen. Zu viel für den Vermieter: Er kündigt dem Musiker fristlos – und der muss wieder einmal umziehen.
„Ein neuer Mieter“ oder „Im Himmel werde ich hören“ – mit diesem musikalischen Stück für Kinder ab acht Jahren macht das Kinder- und Jugendtheater Speyer den verbitterten Menschen Beethoven und seine himmlischen Schöpfungen als Komponist gleichermaßen greifbar. Gestern Nachmittag feierte es beim Beethovenfest im Alten Stadtsaal viel beklatschte Premiere. Wir schreiben das Jahr 1823. Ein neuer Bewohner zieht in ein Wiener Mietshaus ein – es ist kein geringerer als Ludwig van Beethoven. Der Komponist ist 53 Jahre alt, fast taub und sehr verbittert. Geldsorgen hat er auch. Doch er hat immer noch so viel Musik in seinem Kopf! Beethoven will hier eine Sinfonie komponieren, wie die Welt sie noch nicht gehört hat, deren Töne durch alle Wände dringen. Es geht darin um Freiheit. Die Theaterbearbeitung des musikalischen Hörspiels „Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr. 9“ von Markus Vanhoefer stammt aus der Feder von Matthias Folz. Der Leiter des Kinder- und Jugendtheaters führte bei der Koproduktion mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz auch Regie und brachte den Profimusikern erneut das darstellende Spiel näher. Pianist Markus Gabriel-Ecseghy verkörpert Ludwig van Beethoven – und widersteht dabei der Versuchung, dessen Taubheit allzu sehr in den Vordergrund zu rücken. Jefferson Schoepflin spielt die Violine und Beethovens Freund Ignaz Schuppanzigh, Cellist Eric Truempler gibt den Klavierbauer Johann Andreas Streicher sowie den Hausbesitzer. Und dann sind da noch Dennis Fahri Dagli als Karl von Beethoven, Neffe des Komponisten, und die erfrischend aufspielende Laura Kaiser als Sophia, eine junge Bewohnerin des Hauses, in das Beethoven gerade eingezogen ist. Von Friedrich Schillers Buch „Die Räuber“, das ihr Karl schenkt, lernt Sophia, dass man den Gedanken der Freiheit in einem Musikstück ausdrücken kann. Sie hört von der Französischen Revolution und der Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Für Beethoven ist „die Musik eine höhere Erfahrung als alle Weisheit und Philosophie“ – heute ist seine „Ode an die Freude“ zu den Worten Schillers die europäische Hymne. „Ein neuer Mieter“ führt nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene zurück in die Zeiten, als die ersten Grundsteine des europäischen Hauses gelegt wurden. Folz’ Theaterbearbeitung und Inszenierung gelingt dabei das auch musikalisch anspruchsvolle Kunststück, die historische Folie der Revolution und das Wirken Schillers weitgehend kindgerecht mit den Lebensfäden Beethovens zu verknüpfen. Und am Ende wird’s dann doch noch ein bisschen philosophisch – mit der Quintessenz des Stücks: „Freiheit bedeutet, das zu machen, wozu dir dein Herz rät.“ termine —Weitere Aufführung: morgen, Sonntag, 5. Juli, 15 Uhr, im Alten Stadtsaal in Speyer. —Schulvorstellungen: Montag, 6. Juli, und Dienstag, 7. Juli, jeweils 10 Uhr im Alten Stadtsaal.