Speyer Vertrauen in die Frau beim Frühstück

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Flöhe hüten ist einfacher als mit drei Kleinkindern in den Tag zu starten. Davon ist Kathrin Sinn überzeugt. Vor 13 Monaten ist die Speyererin Mutter von Zwillingen geworden. Tochter Clara ist vier und besucht die Waldgruppe des Kinderhauses „Flohkiste“. Die Familie bekommt Hilfe vom „Wellcome“-Projekt.

„Der Morgen hat es in sich.“ Kathrin Sinn schildert den ganz normalen Wahnsinn zwischen Schlafzimmer, Küche und Bad: Die Zwillinge Marie und Maxim werden gewickelt und angezogen, Clara putzt die Zähne, Mutter und Vater richten das Frühstück – alles möglichst gleichzeitig. Auch Marie und Maxim müssen – warm eingepackt – mit ins Auto, das Clara pünktlich in den Wald bringen soll. Ist die Vierjährige dort wohlbehalten abgeliefert, geht es entweder zurück nach Hause oder seit Neuestem mit den Zwillingen zur Eingewöhnung in die Kinderkrippe. „So sähe unser Alltag seit einem guten Jahr aus, wenn es Marieke Weis nicht gäbe“, sagt Sinn. Weis ist eine von zehn Ehrenamtlichen, die sich derzeit im „Wellcome“-Projekt engagieren. Seit der Geburt der Zwillinge kümmert sie sich zwischen 7.45 und 8.45 Uhr um Marie und Maxim, frühstückt mit den Kindern und macht sie für alle weiteren Unternehmungen des Tages fertig. „Diese eine Stunde ist für mich die totale Entspannung“, beschreibt Sinn ihre neue Gelassenheit. „Die Viertelstunde Fahrt vom Wald zurück nach Hause genieße ich in vollen Zügen“, erzählt sie von dem aufgedrehten Autoradio und dem Freiheitsgefühl dank Weis. „Sie ist total zuverlässig und immer gut gelaunt“, erklärt Sinn ihr Vertrauen in die Frau, die sie noch bis November am Frühstückstisch vertritt. „Die Wellcome-Hilfe ist auf etwa ein Jahr ausgelegt“, so Koordinatorin Gisela Gruhn. Der Abschied falle oft sowohl der Familie als auch der Betreuungsperson nicht leicht. Da fließe manche Träne. Zurzeit betreuten zehn Ehrenamtliche – die meisten zwischen 50 Jahre und Mitte 60 alt – sieben bis zehn Familien parallel, so Gruhn. Junge Eltern kämen auf sie zu oder seien von der Klinik, dem Kinderarzt oder Einrichtungen wie „Keks“ über das Wellcome-Projekt informiert worden. „Ich habe schon in der Schwangerschaft von Wellcome gehört“, erzählt Sinn von einer anderen Zwillingsmutter, die sie auf die Hilfemöglichkeit hingewiesen habe. Sie habe sich aber zur Kontaktaufnahme „zuerst überwinden müssen“. Sie habe anfängliche Zweifel gehabt, einer fremden Person ihren Privatbereich zu öffnen, so die dreifache Mutter. „Aber schon beim ersten Zusammentreffen wusste ich: Das passt“, berichtet sie von spontaner Sympathie auf beiden Seiten. Inzwischen sagt sie, dass die Beziehung zu einer dritten Person neben den Eltern auch ihren Kindern Vorteile gebracht habe: „Das Vertrauen ist in den Monaten gewachsen und eine echte Bindung entstanden.“ Privat zum Beispiel für einen Friseurbesuch nutze sie die Wellcome-Unterstützungsangebote nicht, sagt Sinn: „Mir bringt es mehr, wenn ich den Tag entspannt beginnen kann.“ Vor den Ehrenamtlichen des Projekts ziehe sie den Hut: „Sie opfern ihre Freizeit, um Familien unter die Arme zu greifen und ihnen Sicherheit zu geben.“ Für die gemeinsame Zeit ist Sinn dankbar, vor dem letzten Morgen mit Marieke Weis graut es ihr schon: „Der Abschied wird nicht einfach, auch wenn alles gut für die Zeit danach vorbereitet ist.“

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