Speyer „Tränen sind unentwegt gerollt“

Friederike Ebli (SPD), Anne Spiegel (Grüne) und Axel Wilke (CDU) haben sich gestern Fragen von 100 Zehntklässlern der Realschule plus Dudenhofen-Römerberg gestellt. Beim Schulbesuchstag der Landtagsabgeordneten ging es um politische Arbeit, Reichspogromnacht und Mauerfall sowie den Umgang der Politik mit Asylsuchenden.

Für Ebli war es der letzte Schulbesuchstag als Landtagsabgeordnete. Walter Feiniler, ihren designierten Nachfolger, hatte die Sozialdemokratin schon mit in die Gymnastikhalle der Dudenhofener Grundschule gebracht, in die der Schulbesuchstag aus Platzgründen ausgelagert war. Auf die Frage eines Schülers, ob der Nationalsozialismus ihr politisches Leben beeinflusst habe, berichtete Ebli vom Großvater, der im Ersten Weltkrieg gekämpft habe und vom Vater, der verletzt aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekommen sei. Das und die Menschen, die ihr vom Überleben im Konzentrationslager erzählt hätten, hätten ihre politische Haltung geprägt: „Aufstehen, nicht wegschauen, Verantwortung übernehmen“. Grünen-Frau Spiegel appellierte an die Schüler, Zeitzeugen zuzuhören, solange es sie noch gebe und sich gegen rechtes Gedankengut zu stellen. CDU-Mann Wilke sagte: „Die Nazis haben die Würde von Juden, Sinti und Roma oder Homosexuellen mit Füßen getreten. Wo sich braune Horden sammeln, müssen Demokraten dagegen stehen.“ Wilke berichtete, für die Mitgliedschaft in der CDU habe er sich wegen ihres Einsatzes für die deutsche Einheit entschieden. Unvergesslich bleibe ihm das Bild von Willy Brandt auf dem Rathaus-Balkon, schilderte der Christdemokrat seine Empfindungen, als er den Mauerfall vor 25 Jahren am Bildschirm verfolgt habe. Spiegel – damals acht Jahre alt – erinnerte sich an ihre Enttäuschung, als der im Fernsehprogramm angekündigte Piratenfilm wegen der historischen Ereignisse am 9. November 1989 gestrichen worden sei. Ebli berichtete von tiefer Bewegung, die die Bilder vom Mauerfall in ihr ausgelöst hätten: „Tränen sind unentwegt gerollt.“ Eine Luftballonaktion 1986 in Hanhofen habe ihr Freunde aus der DDR beschert, erzählte sie von der Familie aus Gera, die den Ballon aus der Pfalz gefunden und Kontakt zu ihr aufgenommen habe. Durch sie habe sie Fluchthelfer, Schicksale politischer Gefangener und Auswirkungen des Unrechtsstaats kennengelernt, sagte Ebli. Wilke erklärte, warum junge Menschen wählen sollten: „Wer beste Entfaltungsmöglichkeiten will, muss sich einbringen.“ Er bedauerte, dass beispielsweise das Internet-Forum „Abgeordneten-Watch“ nur selten von Jugendlichen besucht werde. „Macht mit“, rief er den Schülern zu. Politik tue gut daran, bei Entscheidungen die Interessen und Vorstellungen junger Menschen zu berücksichtigen, sagte Spiegel. „Es ist eure Zukunft, euer Land, eure Gemeinde“, machte Ebli ihre Position deutlich, „wer nicht wählt, darf auch nicht kritisieren.“ „Wie unterstützt Politik die Flüchtlinge vor Ort?“: Die Frage von Schülervertreterin Sara Fluhrer war zentral für die Zehntklässler. „Alle politischen Ebenen sind gefordert“, wies Spiegel auf den in ihren Augen tragischen und schändlichen Umgang mit Asylsuchenden an den EU-Außengrenzen hin. Ohne Unterstützung der Bevölkerung sei die Flüchtlings-Unterbringung nicht machbar, wies Ebli auf Städte und Gemeinden hin, die – trotz erheblichen Leerstands – so gut wie keinen Wohnraum für Asylbewerber mehr fänden. Die Schüler rief sie auf, das Problem zu Hause, in der Nachbarschaft und bei Freunden anzusprechen. Für die Ankömmlinge sei „ein Dach über dem Kopf“ das Wichtigste, stimmte Wilke Ebli zu und lobte die vielen Privatinitiativen, die den Asylbewerbern, „die es wirklich verdienen, von uns aufgenommen zu werden“, die Eingewöhnung erleichtere. Für die „Wirtschaftsflüchtlinge, die unser Sozialsystem ausnutzen wollen“ forderte er schnelle Entscheidungen über den Asylantrag. Die Landtagsabgeordneten Christine Schneider (CDU) und Wolfgang Schwarz (SPD) wollen heute in der Realschule plus in Lingenfeld mit den Schülern ins Gespräch kommen. (kya)

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